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Thomas Jenewein

Lern-Communities bei SAP: Akzeptanz und Motivation in der digitalen Lernlandschaft

SAP hat in den letzten Jahren verstärkt auf die Digitalisierung des Lernens gesetzt und dabei Lern-Communities als zentrales Element etabliert. Der Vortrag von Thomas Jenewein beleuchtet die Herausforderungen bei der Akzeptanz und Motivation in SAP-Lern-Communities und präsentiert Erkenntnisse aus einer empirischen Untersuchung. Dabei wird deutlich, dass die Transformation von klassischem zu sozialem Lernen nicht nur technische, sondern vor allem kulturelle und organisatorische Hürden mit sich bringt.


Hauptthemen des Beitrags:

  1. Theoretische Grundlagen von Akzeptanz und Motivation
  2. SAP Learning Hub und Community-Struktur
  3. Empirische Untersuchung zu Nutzerfreundlichkeit und wahrgenommenem Nutzen
  4. Herausforderungen für Moderatoren und Lerner
  5. Lessons Learned und Handlungsempfehlungen

Theoretische Grundlagen von Akzeptanz und Motivation

Die digitale Transformation erfordert ein Umdenken in der Art, wie gelernt und gearbeitet wird. Als theoretische Basis für die Untersuchung diente das Technologie-Akzeptanz-Modell von Davis, das von zwei zentralen Faktoren ausgeht: der wahrgenommenen Nützlichkeit und der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit einer Technologie. Diese beeinflussen die Einstellung der Nutzer und damit letztendlich ihr Verhalten bei der Nutzung des Systems.

Ergänzend wurden weitere Motivationsmodelle herangezogen:

  • Die Selbstbestimmungstheorie unterscheidet zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation
  • Die Erwartungswerttheorie von Vroom fokussiert auf Wert und Erwartungen als Verhaltenstreiber
  • McGregors Theorie X und Y kontrastiert externe Kontrolle mit selbstgesteuerter Motivation
  • Pinks Drive-Modell identifiziert Verbundenheit, Autonomie, erlebten Fortschritt und Sinnhaftigkeit als zentrale Motivatoren

Diese theoretischen Grundlagen verdeutlichen, dass Motivation ein komplexer Wirkmechanismus ist, der von über zehn verschiedenen Faktoren beeinflusst wird und nicht auf einfache Formeln reduziert werden kann.

SAP Learning Hub und Community-Struktur

Der SAP Learning Hub fungiert als zentrale Weiterbildungsplattform nach dem Netflix-Prinzip mit einer umfangreichen Bibliothek an Selbstlernmaterialien. Etwa 500.000 SAP-Experten, hauptsächlich Berater und IT-Spezialisten, sind derzeit abonniert.

Die Community-Struktur ist systematisch aufgebaut:

  • 120 Lern-Communities sind etabliert, jeweils passend zu einem Curriculum mit SAP-Berater-Zertifizierung
  • Zusätzliche Communities zu Trendthemen wie Design Thinking
  • Dual-Betreuung: Jede Community wird von einem inhaltlichen Moderator (meist Trainer) und einem technischen Administrator betreut
  • Standardisierte Templates und regelmäßige Schulungen für Community-Moderatoren

Die Hauptanwendungsfälle umfassen:

  • Fragen und Antworten zwischen Teilnehmern und Trainern
  • Bereitstellung von Lerninhalten und Links
  • Monatliche synchrone Web-Sessions mit Aufzeichnung
  • Integration von Schulungssystemen für praktisches Lernen
  • Diskussionen zu Inhalten und technischen Aspekten

Empirische Untersuchung zu Nutzerfreundlichkeit und wahrgenommenem Nutzen

Die qualitative Untersuchung strukturierte sich entlang der beiden Hauptdimensionen des Technologie-Akzeptanz-Modells und untersuchte sowohl die Perspektive der Lerner als auch der Moderatoren.

Nutzerfreundlichkeit - Herausforderungen:

  • Trotz Facebook-ähnlicher Benutzeroberfläche ist nicht immer klar, welche Funktionen wofür genutzt werden
  • Komplexe Anmeldeprozesse über den Webshop erschweren den Einstieg
  • Unübersichtliche Strukturierung und Reiterorganisation
  • Fehlendes oder unzureichendes Onboarding für neue Nutzer

Nutzerfreundlichkeit - Verbesserungen:

  • User Interface Design-Untersuchung führte zu Umbenennungen und strukturellen Anpassungen
  • Entwicklung standardisierter Templates für einheitliche Community-Gestaltung
  • Regelmäßige "tibetanische Gebetsmühlen" - wiederholte Erklärungen zu Sinn und Funktionsweise

Wahrgenommener Nutzen - Moderatorenperspektive:

  • Emotionaler Mehrwert durch positives Feedback, jedoch weniger unmittelbar als im Klassenraum
  • Wertschätzung als ergänzendes Angebot zur klassischen Schulung
  • Herausforderung mit der Beteiligung nach dem 90-9-1-Modell (nur 1% aktive Inhaltsersteller)

Wahrgenommener Nutzen - Lernerperspektive:

  • Direktes Feedback und umfangreiche Informationen werden geschätzt
  • Expertenzugang zu Trainern und anderen Fachkollegen als besonderer Mehrwert
  • Unklarheit über Abgrenzung zu anderen SAP-Plattformen wie dem SAP Community Network

Herausforderungen für Moderatoren und Lerner

Moderatoren-Herausforderungen:

Die Transformation von Klassenraumtrainern zu Community-Moderatoren bringt erhebliche Anpassungen mit sich:

  • Zeitaufwand unterschätzt: Ursprünglich kalkulierte 30 Minuten täglich reichen nicht aus, besonders bei aktiven Communities mit über 1000 Teilnehmern
  • Fehlendes unmittelbares Feedback: Im Gegensatz zum Face-to-Face-Setting erhalten Moderatoren weniger direktes Feedback
  • Neue Kompetenzanforderungen: Wissensmoderation statt reiner Wissensvermittlung erfordert andere Fähigkeiten
  • Demotivation durch geringe Beteiligung: Viele Moderatoren sind frustriert, wenn ihre Beiträge wenig Resonanz finden

Lerner-Herausforderungen:

  • Kultureller Wandel erforderlich: Zehn Jahre Sozialisierung auf konsumatorisches Lernen muss zu partizipativem, sozialem Lernen transformiert werden
  • Heterogene Zielgruppe: Mitarbeiter verschiedener Partnerunternehmen mit unterschiedlichen Lernkulturen
  • Hemmungen bei Wissenslücken: Berater zögern, ihre Unwissenheit vor Kollegen anderer Firmen zu zeigen
  • Unklare Abgrenzung: Verwirrung über verschiedene SAP-Lernplattformen und deren spezifische Zwecke

Lessons Learned und Handlungsempfehlungen

Erwartungsmanagement als Schlüsselfaktor:

Das wichtigste Learning betrifft das Erwartungsmanagement, besonders für Moderatoren aus dem Klassenraumbereich. Die Erwartung unmittelbaren Feedbacks muss angepasst werden an die Realitäten asynchroner Community-Interaktion.

Ressourcen und Unterstützung:

  • Bereitstellung ausreichender Zeitkontingente über Innenaufträge
  • Entlastung der Trainer von anderen Aufgaben für Community-Betreuung
  • Lokalisierung der Schulungsmaterialien (deutsch statt englisch)
  • Verstärkte Präsenzworkshops mit erfahrenen Community-Managern

Kulturelle Transformation:

  • Entwicklung einer neuen Lernkultur hin zu selbstgesteuertem Lernen
  • Kontinuierliche Kommunikation über Sinn und Zweck der Communities
  • Integration in bestehende Bildungsangebote wie Klassenraumtrainings
  • Einbindung von SAP-Experten aus der Softwareentwicklung

Fazit

Die Einführung von Lern-Communities bei SAP zeigt, dass technische Lösungen allein nicht ausreichen. Der Erfolg hängt maßgeblich von der kulturellen Transformation ab - sowohl bei den Moderatoren als auch bei den Lernern. Mit 40% der 500.000 Learning Hub-Nutzer in Communities ist bereits ein solider Grundstein gelegt, aber das Potenzial für höhere Beteiligung und Engagement ist noch nicht ausgeschöpft.

Offene Fragen:

  • Wie kann die Integration in Geschäftsprozesse verbessert werden?
  • Welche Anreizsysteme fördern die aktive Beteiligung?
  • Wie lässt sich die Transformation der Lernkultur beschleunigen?

Handlungsempfehlungen:

  • Verstärktes Erwartungsmanagement für alle Beteiligten implementieren
  • Ausreichende Ressourcen für Community-Moderation bereitstellen
  • Kontinuierliche Schulung und Befähigung der Moderatoren in deutscher Sprache
  • Regelmäßige Kommunikation über Nutzen und Zweck der Communities
  • Integration von Communities in die gesamte Lernlandschaft vorantreiben

Die Erfahrungen bei SAP verdeutlichen, dass die Digitalisierung des Lernens ein langfristiger Transformationsprozess ist, der sowohl technische Innovation als auch kulturellen Wandel erfordert.