Paul Seren
21st Century Skills: Ausbildung der Zukunft
Ausgehend von der digitalen Transformation und den Erfahrungen bei Schaeffler zeigt dieser Vortrag auf, wie sich die Ausbildung von Fachkräften grundlegend wandeln muss. Paul Seren beleuchtet die Herausforderungen zwischen traditionellen Ausbildungsmethoden und den Anforderungen einer vernetzten, digitalisierten Arbeitswelt und stellt konkrete Ansätze für eine zukunftsorientierte Ausbildungsgestaltung vor.
- Referent:innen: Paul Seren
- Aufzeichnung: Video
- Transkript: txt
Hauptthemen des Beitrags:
- Digitaler Wandel und seine Auswirkungen auf die Industrie
- Herausforderungen in der aktuellen Ausbildungslandschaft
- Anforderungen an Mitarbeiter der Zukunft
- Schaefflers Ansatz zur Transformation der Ausbildung
- Neue Methoden und Kompetenzen für Ausbilder
Digitaler Wandel und seine Auswirkungen auf die Industrie
Die rasante Entwicklung der Digitaltechnologie wird anhand der Kodak-Geschichte eindrucksvoll verdeutlicht. Kodak erfand bereits 1975 die erste Digitalkamera - ein 4 Kilogramm schweres Gerät mit 100x100 Pixeln, das 23 Sekunden für die Speicherung eines Bildes benötigte. Trotz dieser bahnbrechenden Innovation verpasste das Unternehmen den Anschluss an die digitale Zukunft, da es sich zu sehr auf seine traditionelle Kompetenz in der analogen Fotografie konzentrierte.
Der Vergleich zwischen der Papstwahl 2005 und 2013 zeigt dramatisch, wie sich die Technologienutzung verändert hat: "2005 kann man, wenn man möchte, hier unten so einen kleinen Display schon mal erkennen. Und wenn wir zur Papstwahl 2013 gehen, hat sich schon so einiges verändert gehabt." Heute trägt jeder ein Smartphone mit sich, das ursprünglich als Telefon konzipiert war, aber zu einem universellen digitalen Werkzeug geworden ist.
Für die Industrie bedeutet dies eine fundamentale Transformation. Unternehmen wie Schaeffler, traditionelle Produzenten mechanischer Bauteile, müssen sich fragen: "Wie könnte für uns die Vernetzung in der Welt, die Digitalisierung, welche Auswirkung kann die für uns haben?" Die Antwort liegt in vernetzten Produkten, Datenaustausch und intelligenten Produktionssystemen.
Die Vision der Industrie 4.0 zeigt Fabriken, in denen Maschinen miteinander kommunizieren und Menschen hauptsächlich über Tablets interagieren. Dies wirft jedoch die entscheidende Frage auf: "Wo sind die ganzen Menschen auf einmal geblieben? Also die in der Wertschöpfung hier früher an den Maschinen herumgewuselt sind."
Herausforderungen in der aktuellen Ausbildungslandschaft
Die heutige Ausbildungssituation ist von einem grundlegenden Widerspruch geprägt. Einerseits kommen Jugendliche mit einer völlig anderen digitalen Wahrnehmung in die Ausbildung, andererseits werden sie mit traditionellen handwerklichen Methoden konfrontiert: "Wir sind heute einerseits mit Jugendlichen konfrontiert, die eine ganz andere digitale Wahrnehmung haben, als das, was wir uns vorstellen können, bringen denen etwas bei, was ganz außerhalb ihrer Vorstellungswelt liegt."
Ein weiteres Problem zeigt sich in der Statistik zur Berufswahl: Seit 2011 entscheiden sich immer mehr junge Menschen für ein Studium statt für eine Berufsausbildung, da sie glauben, damit mehr Geld verdienen zu können. Gleichzeitig steigt die Zahl der Studienabbrecher, die von der Komplexität des Studiums überfordert sind.
Die traditionellen Ausbildungsmethoden haben sich kaum verändert: "Wir machen Wissensmanagement mit Overheadprojektoren." Auch wenn der Beamer den Projektor ersetzt hat, bleibt das Grundprinzip der frontalen Wissensvermittlung bestehen. Selbst das Hinzufügen von "Industrie 4.0" zu bestehenden Inhalten ändert wenig an der Modernität der Ausbildung.
Besonders problematisch ist die zeitliche Verzögerung: "Wenn wir heute jemanden ausbilden, machen wir das für einen Zeitpunkt, der dreieinhalb bis fünf Jahre in der Zukunft liegt." Diese Hysterese führt dazu, dass Ausbildungsinhalte bereits veraltet sind, bevor sie vermittelt werden.
Anforderungen an Mitarbeiter der Zukunft
Die Analyse zukünftiger Arbeitsanforderungen zeigt, dass traditionelle Fachkenntnisse allein nicht mehr ausreichen. Der entscheidende Faktor wird die Veränderungsbereitschaft sein: "Wir brauchen Menschen, die eine hohe Veränderungsbereitschaft haben. Wenn wir das nicht hinbekommen, werden wir nicht den Anschluss bekommen, weil die Veränderung müssen wir während des aktiven Tuns machen."
Die Arbeitswelt wird komplexer, aber gleichzeitig entstehen neue Formen der Mensch-Maschine-Interaktion. Mitarbeiter müssen lernen, mit Robotern zusammenzuarbeiten und dabei neue soziale Kompetenzen entwickeln. Dies erfordert ein anderes soziales Gefüge und neue Formen der Kommunikation.
Vernetzung wird zu einem zentralen Kompetenzbereich. Mitarbeiter müssen über Abteilungs- und Standortgrenzen hinweg denken und arbeiten können. Prozessdenken wird wichtiger als reine Maschinenbeherrschung, da "nicht mehr nur die Maschine, an der man steht, sondern ein ganzer Produktionsprozess damit zusammenhängt."
Die Fähigkeit zur kontinuierlichen Weiterbildung und Anpassung wird entscheidend, da sich Technologien und Arbeitsweisen schneller verändern als je zuvor. Mitarbeiter müssen bereit sein, lebenslang zu lernen und ihre Kompetenzen zu erweitern.
Schaefflers Ansatz zur Transformation der Ausbildung
Schaeffler hat ein umfassendes Projekt zur Neugestaltung der Ausbildung aufgesetzt, das mehrere Schwerpunkte umfasst. Der erste Fokus liegt auf der Integration neuer Medien in die Ausbildung: "Weg mit dem Overhead-Projektor, wenn er nicht mehr notwendig ist."
Ein zentraler Baustein ist die Überarbeitung von Methodik, Didaktik und Pädagogik. Statt der traditionellen frontalen Wissensvermittlung sollen neue Ansätze wie Barcamps und eigenverantwortliches Lernen eingeführt werden. Dies erfordert eine grundlegende Neuorientierung der Ausbilder-Rolle.
Das "interdisziplinäre Ausbildungsobjekt" stellt einen innovativen Ansatz dar, bei dem verschiedene Berufsbilder und Ausbildungsjahre gemeinsam an Projekten arbeiten. Diese Vernetzung soll sich über alle 22 deutschen Schaeffler-Standorte erstrecken und den Austausch zwischen den Standorten fördern.
Besonders wichtig ist die Überarbeitung der Auswahlverfahren für Auszubildende. Statt reiner Leistungsabfrage sollen Persönlichkeitsmerkmale und Werte stärker berücksichtigt werden: "Welche Werte bewerte ich? Welche Sachen sind uns wichtig in der Zukunft? Und welche Menschen brauche ich?"
Die Beurteilungssysteme werden ebenfalls überarbeitet, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dabei geht es nicht nur um fachliche Kompetenzen, sondern auch um soziale Interaktionen und Vernetzungsfähigkeiten.
Neue Methoden und Kompetenzen für Ausbilder
Der Wandel in der Ausbildung erfordert eine fundamentale Neuqualifizierung der Ausbilder. Der Hauptfokus liegt dabei nicht auf zusätzlichem Fachwissen, sondern auf neuen pädagogischen und sozialen Kompetenzen: "Der erste Schwerpunkt, egal bevor alle anderen Maßnahmen anfangen, ist, wir müssen unsere Trainer trainieren."
Ausbilder müssen lernen, mit den Generationen Y und Z umzugehen, die andere Erwartungen und Lerngewohnheiten haben. Der kompetente Umgang mit neuen Medien wird zur Grundvoraussetzung, um glaubwürdig und effektiv zu unterrichten.
Ein entscheidender Aspekt ist die Vermittlung von Veränderungsbereitschaft. Obwohl diese nicht direkt gelehrt werden kann, müssen Ausbilder "Möglichkeiten, Methoden heranbringen, daran zu gehen, veränderungsbereit zu werden."
Die Rolle des Ausbilders wandelt sich vom reinen Wissensvermittler zum Lernbegleiter und Coach. Die Frage stellt sich: "Ist es derjenige, der vorne steht und halt seinen prüfungsordnungsangepassten Stoff durcharbeitet? Oder ist es einer, der eben Flexibilität und auch über den Zaun schauen erlaubt? Oder sogar bereit ist, von einem anderen zu lernen?"
Communities of Practice sollen den Austausch zwischen Ausbildern fördern und kontinuierliches Lernen ermöglichen. Dabei geht es sowohl um face-to-face als auch um virtuellen Wissenstransfer.
Ein innovativer Gedanke ist die Infragestellung starrer Ausbildungspläne. Inspiriert durch Unkonferenz-Formate entsteht die Vision: "Braucht man unbedingt einen Ausbildungsplaner, der exakt sagt, morgen bist du dort und übermorgen bist du dort. Oder gibt man eher die Möglichkeiten rein, entsprechend, ja, selber verantwortlich heranzukommen?"
Fazit
Die Ausbildung der Zukunft steht vor einem fundamentalen Paradigmenwechsel. Die digitale Transformation erfordert nicht nur neue technische Kompetenzen, sondern vor allem eine andere Herangehensweise an Lernen und Arbeiten. Veränderungsbereitschaft wird zur Schlüsselkompetenz, die bereits in der Ausbildung gefördert werden muss.
Schaefflers Ansatz zeigt, dass erfolgreiche Transformation bei den Ausbildern beginnen muss. Ohne qualifizierte, moderne Ausbilder können auch die besten Konzepte nicht umgesetzt werden. Die Integration neuer Medien und Methoden muss mit einer grundlegenden Neuorientierung der Ausbilder-Rolle einhergehen.
Offene Fragen und Handlungsempfehlungen:
- Wie kann die Attraktivität der beruflichen Ausbildung gegenüber dem Studium gesteigert werden?
- Welche konkreten Methoden eignen sich am besten zur Förderung von Veränderungsbereitschaft?
- Wie lassen sich starre Ausbildungsordnungen flexibilisieren, ohne Standards zu verlieren?
- Welche Rolle sollten Auszubildende bei der Gestaltung ihrer eigenen Ausbildung übernehmen?
Zentrale Handlungsempfehlung: Unternehmen sollten prioritär in die Qualifizierung ihrer Ausbilder investieren und dabei den Fokus auf pädagogische und soziale Kompetenzen legen, nicht nur auf fachliche Expertise. Nur so kann die notwendige Transformation der Ausbildung gelingen.