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Einführung in Change-Management

Einführung in Change-Management

70% aller Change Projekte scheitern. Man hört solche Aussagen immer wieder, auch wenn es keine wirkliche Evidenz dafür gibt.

Was klar ist: Change-Management ist wichtig, denn es versucht, den Menschen bei Veränderungen zu berücksichtigen.

Das Ziel von Change-Management besteht darin, sicherzustellen, dass Veränderungen effektiv umgesetzt werden, um die Leistung und Effizienz der Organisation zu verbessern. Der Fokus liegt dabei auf der menschlichen Seite. Verglichen mit Projekt Management stehen dort eher die Aufgaben, Prozesse, Verantwortlichkeiten oder zeitliche Abhängigkeiten im Vordergrund, um ein Vorhaben umzusetzen.

Abbildung 1 illustriert die Schwerpunkte von Change-Management gegenüber Projekt-Management

Organisation Gruppe Individuum
Harte Faktoren im Projekt Management

Prozesse

Strukturen

Systeme

Aufgaben

Bereiche

Berichtslinien

Rollen

Verantwortlichkeiten

Skills

Softe Faktoren im Change

Kultur

Werte

Normen

Führung

Gruppendynamik

Mikropolitik

Angst

Hoffnung

Begeisterung

Widerstand

Je nach Größe und Set-up eines Projekts kann Change Management ein eigener Stream sein in einem Projekt, eine Stabstelle neben dem Projektleiter oder in kleinen Projekten einfach eine Aufgabe der Projektleitung. Wichtig ist jedenfalls, dass Ressourcen dafür eingeplant werden und es neben Zeit, Qualität & Kosten auch entsprechend im Projektalltag wie im Reporting & Monitoring berücksichtigt wird.

Entscheidend für den Erfolg jeder Veränderung ist – einfach gesagt – das „Sollen”, „Können”, „Dürfen” und „Wollen”. Dies ist auch das wohl „einfachste” Modell des Change-Managements.

  • Sollen” meint eine klare Strategie und ein Ziel, wie ein Erfolg genau definiert wird.
  • Können” bedeutet, die jeweiligen Kompetenzen sind bei allen vorhanden – oder können entwickelt werden.
  • Dürfen“ heißt, dass entsprechende Befugnisse und Freiräume vorhanden sind.
  • Wollen“ bedeutet, dass Überzeugung und Akzeptanz vorherrschen.

Anbei werden verschiedene Modelle vorgestellt. Einige sind schon älter und haben eine spezielle Herkunft. Wir denken jedoch, dass es interessant ist von ihnen gehört zu haben.

Agiles Change Management und Metatheorie der Veränderung

Agiles Change Management integriert agile Methoden, um Flexibilität und Anpassungsfähigkeit während des Veränderungsprozesses zu fördern. Gerade im IT Bereich eignen sich solche Ansätze, schließlich wurden agile Modelle in der Software-Entwicklung erfunden, um besser mit der zunehmenden Komplexität & Dynamik zurecht zu kommen.

Scrum und Kanban sind beispielsweise bewährte agile Ansätze, die in Change-Projekten eingesetzt werden können. Scrum ermöglicht es Teams, in kurzen Iterationen (Sprints) zu arbeiten, wodurch regelmäßiges Feedback und schnelle Anpassungen an den Veränderungsbedarf möglich sind. Kanban hingegen visualisiert den Arbeitsfluss und hilft, Engpässe zu identifizieren, was die Effizienz steigert und eine kontinuierliche Verbesserung fördert. Beide Methoden unterstützen iterative Ansätze, bei denen man kontinuierlich lernt und sich anpasst, um die Akzeptanz der Veränderungen zu erhöhen und die Mitarbeiter besser einzubinden. Zudem können Methoden wie Retrospektiven und unterschiedliche Ansätze aus dem Design Thinking auch sehr hilfreich im Change Management sein.

Es gibt viele weitere aktuelle Strömungen, von Lean Change Management bis hin zur Metatheorie der Veränderung von Klaus Eidenschink. Diese legt den Fokus auf Selbstorganisationsprozesse und eine prozessorientierte Sichtweise. Im Change-Management kann dies bedeuten, dass statt einer starren Planung, die oft auf Prognosen und Annahmen basiert, eine flexiblere Herangehensweise gewählt wird, die auf aktuellen Prozessen und Dynamiken basiert und damit eher dem agilen Paradigma folgt.

John P. Kotter – Leading Change

John P. Kotter, Professor an der Harvard Business School, entwickelte ein Modell für Veränderungsprozesse, das acht Stufen umfasst und ein guter Einstieg ins Thema ist. Anbei eine vereinfachte Darstellung, die inzwischen schon überarbeitet wurde:

Dringlichkeit erzeugen: Das Team muss erkennen, warum eine Änderung dringend notwendig ist. Ein Gefühl der Dringlichkeit hilft, die Motivation zum Handeln zu steigern.

Führungsteam & Koalition bilden: Es ist wichtig, ein starkes Team aus Führungskräften zu bilden, die an der Veränderung beteiligt sind und sie unterstützen.

Vision und Strategie entwickeln: Die Vision sollte klar, verständlich und attraktiv sein. Sie dient als Leitfaden für die Veränderung. Die Strategie zeigt auf, wie die Vision erreicht werden kann.

Veränderungs-Vision kommunizieren: Die Vision und die Strategie müssen effektiv an alle Beteiligten kommuniziert werden, um Akzeptanz und Engagement zu fördern.

Hindernisse beseitigen & Mitarbeitende befähigen: Alle Hindernisse, die die Umsetzung der Veränderung behindern könnten, müssen identifiziert und beseitigt werden.

Kurzfristige Erfolge schaffen: Es ist wichtig, schnell sichtbare Erfolge zu erzielen und zu feiern, um die Motivation hochzuhalten und den Glauben an die Veränderung zu stärken.

Veränderungen konsolidieren: Alle erreichten Erfolge sollten genutzt werden, um weitere Veränderungen zu fördern und die neuen Ansätze in der Kultur des Unternehmens zu verankern.

Veränderungen in der Kultur verankern: Schließlich sollten die Veränderungen so tief in der Kultur des Unternehmens verankert werden, dass sie auch nach einem Führungswechsel bestehen bleiben.

ADKAR von Proscii

Das ADKAR-Modell ist ein Change-Management-Werkzeug, das von Prosci entwickelt wurde und in vielen IT-Projekten angewandt wird. ADKAR ist ein Akronym, das für die fünf Phasen des Veränderungsprozesses steht:

Awareness (Bewusstsein): Verständnis für die Notwendigkeit der Veränderung. Beispiel: Kommunikation über Marktveränderungen, die eine neue IT-Strategie erfordern.

Desire (Wunsch): Engagement und Bereitschaft, sich auf die Veränderung einzulassen. Beispiel: Demonstration der Vorteile der neuen IT-Strategie für einzelne Mitarbeiter und das Unternehmen insgesamt.

Knowledge (Wissen): Verständnis darüber, wie die Veränderung umgesetzt wird. Beispiel: Schulungen und Workshops zur neuen Software oder Prozessen.

Ability (Fähigkeit): Die Fertigkeiten und Verhaltensweisen, die notwendig sind, um die Veränderung umzusetzen. Beispiel: Praktische Übungen und Unterstützung am Arbeitsplatz, um die Anwendung der neuen Software zu üben.

Reinforcement (Verstärkung): Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Veränderung beibehalten wird. Beispiel: Feedback und Anerkennung für die erfolgreiche Anwendung der neuen Prozesse, kontinuierliche Verbesserung und Anpassung basierend auf Rückmeldungen.

Jede Phase muss betrachtet werden, bevor die nächste beginnen kann, und jede ist entscheidend für den Erfolg des Change-Managements. Gut ist hier aufgezeigt, dass Awareness oder „nur“ Wissen nicht ausreicht, sondern alle Bereiche wichtig sind.

Die Veränderungskurve

Die Kübler-Ross-Kurve, auch bekannt als das Modell der fünf Phasen der Trauer, wurde ursprünglich entwickelt, um die emotionalen Phasen zu beschreiben, die Menschen durchlaufen, wenn sie mit dem Tod konfrontiert sind. Im Change-Management wird es oft verwendet, um die emotionalen Reaktionen der Mitarbeitenden auf Veränderungen in der Organisation zu verstehen.

Die fünf Phasen sind: Verleugnung, Wut, Verhandlung, Depression und Akzeptanz.

Das Modell kann hilfreich sein, um einige der emotionalen Reaktionen auf Veränderungen zu verstehen. Ein Hauptkritikpunkt ist jedoch, dass es ursprünglich entwickelt wurde, um die Reaktionen auf den Tod i.S. von Trauer und nicht auf Veränderungen im Arbeitsumfeld zu beschreiben. Daher kann es nicht alle Aspekte des Change-Managements abdecken. Zudem verlaufen Veränderung nie linear und in der vorgegebenen Reihenfolge oder Kurve wie das Modell suggeriert. Mitarbeitende können unterschiedliche Phasen gleichzeitig oder in unterschiedlicher Reihenfolge und vor allem in unterschiedlicher Geschwindigkeit durchlaufen.

Das SAP OCM Framework

Der SAP OCM-Rahmen (Organizational Change-Management-Rahmen) besteht aus sechs Dimensionen mit verschiedenen Arbeitspaketen entlang von SAP IT-Projekten.

Die Change Strategie gibt die Richtung der Change Aktivitäten für ein digitales Transformationsprojekt vor. Sie liefert die Blaupause für das Management komplexer Veränderungen über mehrere Einheiten, verschiedene Standorte und/oder Länder hinweg.

Change Leadership und Steuerung zielen darauf ab, geeignete Mechanismen für das Management betroffener Personen, Personas und Gruppen zu identifizieren und zu implementieren. Mit dem Begriff „Betroffene“ sind diejenigen gemeint, die von einem digitalen Transformationsprojekt wirklich betroffen sind oder die dessen Erfolg beeinflussen können. Das können bei SAP-Projekten viele Personen sein, weshalb man dann auch von Large Scale Change spricht.

Einbindung, Kommunikation, Befähigung & Empowerment tragen dazu bei, eine gemeinsame positive Haltung gegenüber Veränderungen zu fördern. Das Alignment mit dem Top-Management ist dabei erfolgskritisch, sowie der Aus- und Aufbau eines Netzwerks von Change Agents.

Change Kommunikation zielt darauf ab, die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an die richtigen Personen zu übermitteln. Es handelt sich um die systematische Planung, Durchführung, Überwachung und Überprüfung aller Kommunikationsaktivitäten innerhalb eines digitalen Transformationsprojekts.

Change Umsetzung umfasst die Identifikation und das Management der mit einer digitalen Transformation verbundenen Veränderungen bei den relevanten Stakeholder-Gruppen (z.B. in Bezug auf Kompetenzen, Skills, Geschäftsprozesse, Technologie, Organisation und Mindset). Dies fördert einen Übergang vom aktuellen zum zukünftigen Status-quo. Iterationen, kontinuierliche Verbesserungen und Anpassungen sind inzwischen meist anschließend.

Change Enablement bietet während des Transformationsprozesses umfassende Schulungen und Lernangebote für Experten sowie für die Nutzer. Zuerst werden üblicherweise das Projektteam und Management geschult, später die Nutzer.

Change Effectiveness umfasst die Aktivitäten, die zur Messung der Effektivität von OCM-Aktivitäten zur Unterstützung der digitalen Transformation eingesetzt werden können. Sie konzentriert sich auf Kriterien wie organisatorische Bereitschaft, Benutzerakzeptanz und -zufriedenheit sowie das Benutzerverhalten nach dem Go-Live. Awareness, Commitment, Empowerment, Enablement und Akzeptanz sind dabei Faktoren die gewöhnlich gemessen werden, sei es mit Systemdaten oder Befragungen.

Terminologie von Change in IT-Projekten

Wird ein IT-Projekt auf der „grünen Wiese“ begonnen und das System frisch, incl. der Prozesse, neu aufgesetzt spricht man von einem Greenfield-Ansatz.

Wird die neue Software auf bestehender Struktur, Nutzung der Daten, Einstellungen und Prozesse aufgebaut, wird von einem Brownfield-Ansatz gesprochen.

Bluefield ist ein Mittelweg: ausgewählte Daten werden mit genommen, jedoch reduziert und vereinfacht, um Geschäftsprozesse zu optimieren.

Transformation: Während Transformationen umfassende, strategische Veränderungen in der gesamten Organisation anstoßen, konzentrieren sich Change-Projekte auf spezifische Initiativen, Projekte und Programme.

Disruptive Innovationen wie das iPhone oder generative KI mit starken neuem Kundennutzer der etablierte Angebote verdrängt erfordern eine proaktive Haltung und eine Innovationskultur, die Veränderung annimmt und experimentierfreudig ist um eben nicht disruptiert zu werden.

Fazit zu Methoden und Vorgehensweisen im Change-Management

Viele Software-Anbieter und Beratungshäuser haben ihre eigenen Methoden. So nutzt SAP beispielsweise das SAP Activate Prozessmodell und stellt im Bereich "Solution Adoption" viele Templates und Informationen rund um Change-Management kostenfrei zur Verfügung. Andere Firmen wie Microsoft orientieren sich an allgemeinen Rahmenwerken wie ADKAR (s.o.). Es gibt nicht den „richtigen“ Ansatz.

Letztendlich sollte man ein Modell und Vorgehen nutzen, das auch gut zur Firmenkultur passt. Sofern ein Modell bereits im Unternehmen im Einsatz ist, kann es hilfreich sein, dieses Modell zu nutzen, da es bereits etabliert ist. Grundsätzlich sollte ein Modell immer als Sammlung von Prinzipien verstanden werden und nicht als verbindliches Regelwerk, das man befolgen und abhaken muss.

Es gibt Modelle, die das Vorgehen beschreiben und solche, die eher die Art von Interventionen zusammenfassen. Beides zu nutzen macht Sinn im Mix mit agilen Praktiken und Methoden, sofern agil gearbeitet wird. Zudem ist Emergenz bei Veränderungen zu berücksichtigen. Komplexe Systeme wie Unternehmen bringen durch Veränderungen neue Eigenschaften und Lösungen hervor, die nicht vorhersehbar sind oder zentral planbar sind. Daher sind Rückkopplungen, Feedbackmechanismen, gezielte Einbindung und adaptives Vorgehen so wichtig.

Quellen und weitere Informationen

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