Stakeholder Management im Change-Management
Stakeholder Management im Change-Management: Mehr als nur Rollen
In IT-Change-Management-Projekten sind Stakeholder nicht nur Rollen, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Sie sind Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Bedürfnissen, Emotionen, Zielen und Interessen. Sie sind außerdem Personen, die Interessen Rechte & Pflichten im Projekt haben (Betriebsrat, Politik etc.) oder Personen, die von den Veränderungen im Unternehmen betroffen sind.
Dazu gehören Projektmanager, IT-Teams, Einkauf, Fachabteilungen, Personalbereich, Geschäftsführer, Endbenutzer und weitere interne Stakeholder wie Betriebsräte und auch Datenschutzbeauftragte.
Je nach Projekt können auch externe Stakeholder eine Rolle spielen. Von Partnern wie IT-Anbietern oder Implementierungspartnern bis hin zur Politik bzw. Gesetzgeber oder Verbände bei großen Veränderungen.
Jeder dieser Stakeholder bringt eine eigene Sichtweise, seine eigenen Erfahrungen und sein eigenes Verständnis des Projekts mit.
Die psychologische Rolle der Manager
Manager spielen eine entscheidende Rolle in IT-Change-Management-Projekten. Sie sind nicht nur Entscheidungsträger und Ressourcenbereitsteller, sondern auch Führungskräfte, die das Team motivieren, koordinieren, inspirieren und moderieren müssen. Sie sind auch Vermittler zwischen verschiedenen Stakeholdern und müssen Konflikte managen und Konsens herstellen. Wenn sie nicht überzeugt sind oder die entsprechenden Änderungen nicht mittragen, hat es die beste Software und jede Veränderung schwer. Auch müssen Sie das Sollen mit definieren – sprich das Zielbild, Vision, die nötigen Änderungen - sowie den Rahmen (Dürfen) ermöglichen (sh. auch 3.1).
Aus Forschung rund um Veränderungskompetenz wissen wir auch, dass es nicht nur um Persönlichkeit (wie Offenheit, Adaptivität), individuelle Methodenkompetenz oder Motivation geht, sondern auch um den Rahmen (Ressourcen, Ziele, Verantwortung bis hin zu Anweisungen)– den eben das Management mit definieren muss.
Denn wenn Mitarbeitende glauben, dass eine Veränderung notwendig, sinnvoll und machbar ist (kognitive Überzeugungen) und wenn sie sich auf die Veränderung freuen und sie als positiv und wünschenswert empfinden (positive Emotionen), sind sie eher bereit, die Veränderung zu unterstützen und sich dafür einzusetzen.
Um Manager auf diese Aufgaben im Rahmen des Change-Prozesses vorzubereiten, sind Trainings sinnvoll: Führungskräfte sollten in den Grundlagen des Change-Managements geschult werden, um die psychologischen und organisatorischen Aspekte des Wandels zu verstehen und effektiv zu managen.
Wie Manager Überzeugungen und positive Emotionen über Veränderungen mitgestalten können
Kommunikation: Manager kommunizieren die Gründe für die Veränderung klar und überzeugend, um kognitive Überzeugungen zu stärken. Sie heben die Vorteile und positiven Aspekte der Veränderung hervor, um positive Emotionen zu fördern. Das beutetet, dass sie die Kommunikation nicht komplett delegieren, sondern selbst aktiv sind.
Beteiligung: Manager beziehen die Mitarbeitenden in den Change-Prozess ein, um ihre kognitiven Überzeugungen und positiven Emotionen zu stärken. Wenn die Mitarbeitenden das Gefühl haben, dass sie einen Beitrag leisten und Einfluss nehmen können, sind sie eher bereit, die Veränderung zu unterstützen.
Unterstützung: Manager stellen den Mitarbeitenden die notwendige Unterstützung und Ressourcen zur Verfügung, um die Veränderung zu bewältigen. Dies kann dazu beitragen, ihre kognitiven Überzeugungen und positiven Emotionen zu stärken.
Vorbildfunktion: Manager dienen als Vorbilder für Veränderungen und fördern durch ihr eigenes Verhalten und ihre eigene Einstellung positive Emotionen und kognitive Überzeugungen.
Anerkennung und Belohnung: Manager anerkennen und belohnen die Bemühungen und Erfolge der Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Veränderung. Dies trägt dazu bei, die positiven Emotionen und kognitiven Überzeugungen der Mitarbeitenden zu stärken.
Weiterführende Literatur:
“Leading Change" von John P. Kotter und "Managing Transitions: Making the Most of Change" von William Bridges: Während Kotter einen strukturierten, prozessorientierten Ansatz bietet, hilft Bridges, die menschlichen und emotionalen Dimensionen des Wandels zu verstehen und zu managen.
Zusammen liefern sie eine umfassende Perspektive darauf, wie Führungskräfte ihre Rolle im Change-Management erfolgreich ausfüllen können.
Analyse der Stakeholder: Verstehen von Motivationen und Widerständen
Die Analyse der Stakeholder in IT-Change-Management-Projekten geht über das bloße Verständnis ihrer Rollen und Aufgaben hinaus. Es geht darum, ihre Motivationen, Ängste, Widerstände und Interessen zu verstehen. Dazu können verschiedene Methoden verwendet werden:
Kraftfeldanalyse
Diese Methode, die von dem Sozialpsychologen Kurt Lewin entwickelt wurde, hilft, die verschiedenen Kräfte zu identifizieren, die das Projekt beeinflussen könnten. Sie hilft dabei, die treibenden Kräfte, die das Projekt vorantreiben, und die hemmenden Kräfte, die das Projekt behindern könnten, zu verstehen.
Analyse nach Einfluss und Pro-/ Contra Change und entsprechende Maßnahmen
Negative Einstellung | Positive Einstellung | |
---|---|---|
Hoher Einfluss | Opponenten: Umwerben, überzeugen | Promotoren: Regelmäßig informieren, aktiv einbinden |
Geringer Einfluss | Skeptiker: Beobachten und positiv informieren | Informieren: Vertrauen verstärken und Einfluss stärken |
Analyse nach Einfluss und Pro-/ Contra Change und entsprechende Maßnahmen
Promotoren | Opponenten | |
---|---|---|
Hoher Einfluss | Partizipativ | Diskursiv |
Geringer Einfluss | Informativ | Repressiv |
Ähnlich ist die Analyse nach Interesse & Einfluss.
Geringes Interesse | Hohes Interesse | |
---|---|---|
Hoher Einfluss | Zufrieden stellen | enger Kontakt |
Geringer Einfluss | Pull / Monitor | informieren |
Interventionen im Bereich der Stakeholder Analyse
Auf der Grundlage der Stakeholder-Analyse und der Kraftfeldanalyse können Interventionen entwickelt werden, um das Projekt voranzutreiben und Widerstände zu verstehen und mindern bzw. positiv zu nutzen. Diese Interventionen können eine Reihe von Strategien umfassen, wie zum Beispiel zur Kommunikation, Weiterbildung, Teambuilding, Einbindung oder weitere Veränderungsmanagement-Initiativen.
Ein Klassiker ist das sogenannte Sounding Board mit wichtigen, einflussreichen Stakeholdern zur Beratung, aber auch Steering-Commitees bestehend aus Führungskräften die regelmäßig bzgl. Status, Risiken und Entscheidungen eingebunden werden.
Die Interventionen sollten darauf abzielen, die treibenden Kräfte zu stärken und die hemmenden Kräfte zu mindern oder zu nutzen, zum Beispiel zum Verständnis der Ängste und Widerstände. Vor allem sollte immer wieder auf die Stakeholder geschaut werden.
Je nach Projektphase werden andere Stakeholder wichtig. Besonders bei Reorganisationen oder Jobwechsel von Führungskräften muss immer wieder neu ausgelotet, überzeugt und ausgerichtet werden.
Quelle: Prof. Ina Kohl, Vortrag
Umgang mit Widerständen
Widerstände verschiedener Stakeholder sind eine der großen Herausforderungen und Aufgaben im Change-Management. Daher gehen wir auf das Thema näher ein. Häufig liegt bei der Sicht auf Widerstände der fundamentale Attribuierungsfehler vor - man erkennt die eigentlichen Gründe nicht an. Zentral ist die Haltung, gute Gründe oder Funktionen für Widerstände verstehen zu wollen. Widerstände sind auch Energie, die man nutzen kann und sollte. Die wichtigste Frage lautet: Was brauchen die anderen, um beim Change mitzumachen? Aber auch warum bestehen welche Widerstände?
Formen von Widerstand
Es gibt vielfältige Formen von Widerständen, die es zu erkennen gilt:
- Offener Widerstand: Direkte Ablehnung, Kritik und Opposition
- Verdeckter Widerstand: eine scheinbare Zustimmung kann sich unterschiedlich äußern. „Violent Politeness" ist z.B. eine übertriebene Freundlichkeit, bei gelernter Hilflosigkeit haben Menschen schon innerlich aufgegeben (es ändert sich bei uns eh nichts, ich habe eh nichts zu sagen)**
- Strukturelle Widerstände: Komplexität, Beharrungskräfte im System, Zielkonflikte
Ursachen für Widerstände können vielfältig sein:
- Mangelnde Verabschiedung und Würdigung des Alten ("Sprung in die Zukunft ist zu schnell")
- Bedeutungsverlust des Individuums durch stärkeren Fokus auf Rollen, Transparenz, Messbarkeit
- Informationsdefizite und mangelnde Kommunikation
- Persönliche Betroffenheit, Verlustängste (Status, Kompetenzen, Routinen)
- Mangelnde Akzeptanz der Notwendigkeit oder des Nutzens der Veränderung
- Fehlende Beteiligung und Mitbestimmung der Stakeholder
- Überforderung oder mangelnde Qualifizierung für die neuen Anforderungen
- Systembedingte Ziel-, Ressourcen- und Kulturdiskrepanzen
- Persönlichkeit (sehr kritisch, defizitorientiert und ängstlich gegen Änderungen per se)
Tipps für die Umsetzung:
- Gründliche Stakeholder-Analyse und kontinuierliches Stakeholdermanagement incl. Blick auf das System, nicht nur auf die Individuen
- Stärken der Leadership-Rolle und des Involvements der Stakeholder
- Offene Haltung gegenüber Widerständen - Gründe ernsthaft ergründen
- Ausreichend Raum für Übergangs- und Reflexionsphasen einplanen
- Individuelle Begleitung von Schlüsselpersonen die Wissensträger sind und hohen Einfluss haben
- Strukturgebende Maßnahmen wie Rituale und Meetings zur Orientierung
- Rollen so gestalten, dass sie sich mit den Bedürfnissen und Erwartungen der Organisation decken, ohne das Individuum emotional zu destabilisieren.
- Professionelle Unterstützung wie Coaching bei Anpassungsstörungen in Betracht ziehen
- An Veränderungskompetenz und positiver Zukunftsvision arbeiten
- Berücksichtigung von Machtverhältnissen, Interessenkonflikten und kulturellen Faktoren
- Beteiligung und Inklusion relevanter Subsysteme und Perspektiven
- Offener Diskurs und Reflexionsräume zur Entwicklung neuer Verhaltens- und Denkweisen
- Anpassung von Strukturen, Prozessen und Anreizsystemen zur Systemveränderung
- Ultima Ratio ist die Trennungskultur. Dabei ist immer zu klären, ob es um das Wollen oder das Können geht. Fehlendes Können kann unterstützt werden, bei fehlendem Wollen sollte die Trennung reflektieren werden.
Literatur