Victoria Köstner - Mind the Knowledge Gap – are your lessons really learned?
Victoria Köstner: Mind the Knowledge Gap – are your lessons really learned?
Viele Projekte dokumentieren Erkenntnisse – aber lernen sie auch daraus? In diesem Lightning Talk zeige ich, warum Lessons Learned oft ins Leere laufen und wie kollektives Lernen mit dem Projekt-Trialog gelingt.
Viktoria Köstner zeigt in ihrem Vortrag auf, warum traditionelle Lessons-Learned-Prozesse in vielen Unternehmen scheitern und eher zu "Project Documented" als zu echtem Lernen führen. Anhand einer praxisnahen Geschichte über die Projektleiter John und Sonja verdeutlicht sie, wie Wissenslücken entstehen und sechs Jahre später zu erheblichen Projektverzögerungen führen können. Sie identifiziert vier zentrale Schwachstellen in herkömmlichen Lessons-Learned-Ansätzen und präsentiert einen dreistufigen Lösungsansatz für strategisches Wissensmanagement.
Der Vortrag folgt einer klaren Struktur, die von einem konkreten Praxisbeispiel ausgeht und zu systematischen Lösungsansätzen führt:
- Einstieg mit Praxisbeispiel: Geschichte von John und Sonja zur Veranschaulichung des Problems
- Problemanalyse: Identifikation von vier zentralen Schwachstellen
- Grundlegendes Problem: Die Rolle der Lernkultur als Fundament
- Lösungsansatz: Dreistufiges Modell für effektive Lessons Learned
- Call to Action: Appell für einen Paradigmenwechsel
Die Geschichte von John und Sonja: Ein typisches Szenario
Köstner beginnt mit einem anschaulichen Beispiel, das die Problematik verdeutlicht: "Das ist John, 59 Jahre alt, seit 25 Jahren im Unternehmen, IT-Projektleiter. 2019 hat er eine große dreijährige Migration mit Kunde Z in Frankfurt abgeschlossen."
John führte vorbildlich einen Lessons-Learned-Prozess durch - zumindest auf dem Papier. Er organisierte ein 60-minütiges Meeting mit seinem Team und brachte bereits vorbereitete PowerPoint-Folien mit. Das Ergebnis wurde vom Team abgenickt und als Dokument abgelegt. "Damit wurde der Meilenstein abgehakt und alle anderen begaben sich in das nächste Projekt."
Sechs Jahre später entsteht ein neues Projekt mit demselben Kunden, diesmal unter der Leitung von Sonja aus dem Vertriebsbereich. Die Konsequenz: "Was sie noch nicht weiß, ist, dass ihr Projekt sechs Monate Verzug haben wird, denn es gibt eine große Wissenslücke. Dokumentiert ist eben nicht gleich gelernt."
Das zentrale Problem lag darin, dass John zwar schwerwiegende Schnittstellenprobleme in seinem Projekt hatte, die nur durch mehrere Workarounds gelöst wurden, diese jedoch nicht in den Lessons Learned reflektiert wurden. "In seinem Lessons Learned hat er das aber nicht mehr reflektiert, demnach sind diese Workarounds unter den Tisch gefallen."
Vier zentrale Schwachstellen traditioneller Lessons-Learned-Prozesse
Mangelnde Priorität und Zeitinvestition
Die erste Schwachstelle liegt in der unzureichenden Priorität, die Lessons Learned eingeräumt wird. Köstner stellt fest: "Zum einen die Priorität für Lessons Learned. In 60 Minuten können wir nur an der Oberfläche kratzen."
Die zeitliche Beschränkung auf eine Stunde zeigt, dass der Prozess eher als notwendiges Übel denn als wertvolle Investition in die Zukunft betrachtet wird. Diese oberflächliche Behandlung verhindert eine tiefgreifende Analyse der Projekterfahrungen.
Fehlende echte Reflexion
Der zweite kritische Punkt betrifft die Art der Durchführung: "Zum anderen, zum zweiten, die Reflexion, die echte Reflexion. Wenn der Projektleiter das Meeting selbst hält und die Folien schon vorbereitet mitbringt, nur noch zum Abnicken, dann können wir nicht mehr miteinander reflektieren und Dinge aufdecken, die wichtig wären."
Diese Vorgehensweise führt zu einer Scheinreflexion, bei der bereits vorgefasste Meinungen bestätigt werden, anstatt gemeinsam neue Erkenntnisse zu gewinnen. Der partizipative Charakter echter Reflexion geht verloren.
Mangelnde Vernetzung zwischen Unternehmensbereichen
Die dritte Schwachstelle liegt in der organisatorischen Struktur: "Drittens, die Vernetzung. Sonja im Vertrieb, John in der Entwicklung, diese Bereiche liegen im Unternehmen sehr weit auseinander. Es braucht den Austausch zwischen den Silos, um das Wissen weiterzutragen."
Ohne systematischen Wissenstransfer zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen bleiben wertvolle Erfahrungen in den jeweiligen Silos gefangen und können nicht organisationsweit genutzt werden.
Fehlende strukturelle Nachverfolgung
Der vierte Punkt betrifft die Umsetzung: "Viertens, es fehlt auch an Struktur. Denn selbst wenn richtig gelernt werden würde und da etwas Wichtiges herauskäme, dann müsste es ja noch weiter nachgefasst werden im Unternehmen, damit sich auch was tut."
Selbst wenn wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, fehlen oft die strukturellen Mechanismen, um diese in konkrete Verbesserungen umzusetzen.
Die Lernkultur als Fundament
Köstner identifiziert die Lernkultur als den entscheidenden Erfolgsfaktor: "Was haben alle diese Punkte gemeinsam? Sie werden getragen von der jeweiligen Lernkultur des Unternehmens. Ihr könnt das ausgeklügelste Lessons Learn System haben. Es bringt euch aber nichts, wenn ihr im Unternehmen nicht über Fehler sprechen könnt."
Diese Erkenntnis ist fundamental: Technische Systeme und Prozesse allein reichen nicht aus, wenn die kulturellen Voraussetzungen für offenes Lernen und Fehlerkultur fehlen. Die Investition in die Lernkultur wird als strategisch wichtig eingestuft: "Das Investment in eure Lernkultur lohnt sich."
Die Notwendigkeit strategischen Wissensmanagements
Die Dringlichkeit des Themas unterstreicht Köstner mit einer aussagekräftigen Statistik: "Warum? Weil jedes sechste Projekt scheitert, die Versprechen bezüglich Zeit, Geld und Qualität an den Kunden zu erfüllen."
Die Lösung liegt im strategischen Ansatz: "Das können wir besser, wenn wir anfangen, unsere Wissenslücken strategisch zu schließen."
Dreistufiger Lösungsansatz für effektive Lessons Learned
Stufe 1: Faktenbasierte Analyse
Der erste Schritt umfasst die klassischen Projektmanagement-Methoden: "Zum einen die faktenbasierte Analyse. Denn ja, natürlich im Projektmanagement, wir brauchen auf jeden Fall den Soll-Ist-Vergleich. Wir müssen uns Zeitbudget angucken. Was hatten wir geplant? Was haben wir erreicht? Was war der Gap?"
Köstner anerkennt, dass "auf dieser Ebene des expliziten Wissens kommen die meisten Unternehmen noch mit." Allerdings reicht diese Ebene allein nicht aus, da sie nur die Oberfläche der Projekterfahrungen erfasst.
Stufe 2: Erfahrungsbasierte Reflexion
Der zweite Schritt geht deutlich tiefer: "Aber wir müssen auch unter die Wasseroberfläche kommen. Wir müssen da hinschauen, also eine erfahrungsbasierte Reflexion machen."
Diese Stufe erfordert eine systematische Analyse der Projekterfahrungen: "Wir müssen die Wendepunkte, die Tiefpunkte anschauen und vor allem dann gucken, zu unterscheiden zwischen Ursachen und Auswirkungen."
Das Ziel ist die Identifikation der wahren Erfolgsfaktoren: "Erst daran kommen wir zu den Knackpunkten, die in der Zukunft uns davor bewahren können, Doppelarbeiten und Ressourcenverschwendung zu machen."
Stufe 3: Umsetzung und Transfer
Die dritte Stufe wird oft vernachlässigt, ist aber entscheidend für den organisationalen Nutzen: "Dann der letzte Punkt, Umsetzung und Transfer. Kommt in den wenigsten Lessons-Learn-Systemen vor."
Köstner betont die Notwendigkeit einer organisationsweiten Perspektive: "Aber es bringt natürlich dem einen Projekt schon was, sich selbst zu reflektieren und zu lernen. Aber was ist mit den anderen Projekten? Dann erst können wir richtig Wert schöpfen."
Für diese Stufe sind strukturelle Voraussetzungen erforderlich: "So, das heißt, der letzte Punkt, da braucht es Prozesse und Rollen und Verantwortlichkeiten, um die Veränderungsimpulse weiterzutragen ins Unternehmen."
Ganzheitlicher Ansatz für nachhaltiges Lernen
Die Integration aller drei Stufen führt zu einem ganzheitlichen Ansatz: "Die drei Schritte beachten und dann seid ihr ganzheitlich unterwegs für die Lessons learned in eurem Unternehmen."
Dieser umfassende Ansatz unterscheidet sich fundamental von traditionellen Methoden, da er sowohl die technische als auch die kulturelle Dimension des organisationalen Lernens berücksichtigt.
Handlungsempfehlungen und Call to Action
Köstner schließt mit einem klaren Appell für einen Paradigmenwechsel: "Also ein Reminder für euch, versteht Lessons learned nicht als lästigen Teil am Ende eures Projekts, als Pflichtteil, sondern als Chance zur Entwicklung und vor allem zum Schließen eurer Wissenslücken."
Die zentrale Handlungsempfehlung lautet:
- Priorität neu setzen: Lessons Learned nicht als Pflichtübung, sondern als strategische Investition verstehen
- Echte Reflexion ermöglichen: Partizipative Formate schaffen, die über oberflächliche Dokumentation hinausgehen
- Vernetzung fördern: Systematischen Wissensaustausch zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen etablieren
- Strukturen schaffen: Prozesse und Verantwortlichkeiten für die Umsetzung von Erkenntnissen definieren
- Lernkultur entwickeln: In eine offene Fehler- und Lernkultur investieren
- Dreistufigen Ansatz implementieren: Faktenanalyse, Reflexion und Transfer systematisch verknüpfen
Das Ziel ist klar definiert: "Damit es euch nicht so geht wie John und Sonja." Die Vermeidung von Wissenslücken und daraus resultierenden Projektverzögerungen steht im Mittelpunkt der Empfehlungen.
Fazit: Von der Dokumentation zum strategischen Lernen
Köstners Vortrag verdeutlicht eindrücklich die Diskrepanz zwischen formalen Lessons-Learned-Prozessen und echtem organisationalem Lernen. Die Geschichte von John und Sonja zeigt exemplarisch, wie gut gemeinte Dokumentationsprozesse zu einer falschen Sicherheit führen können, während kritisches Wissen verloren geht.
Der vorgestellte dreistufige Ansatz bietet einen systematischen Weg, um von oberflächlicher Projektdokumentation zu strategischem Wissensmanagement zu gelangen. Besonders hervorzuheben ist die Betonung der Lernkultur als Fundament aller technischen Systeme und Prozesse.
Die praktische Relevanz des Themas unterstreicht die Statistik, dass jedes sechste Projekt scheitert. In diesem Kontext wird deutlich, dass effektive Lessons-Learned-Prozesse nicht nur eine operative Verbesserung darstellen, sondern einen strategischen Wettbewerbsvorteil bedeuten können.
Der Vortrag endet mit einer offenen Einladung zum Austausch, was die kollaborative Haltung der Referentin unterstreicht und den partizipativen Charakter effektiver Lernprozesse widerspiegelt.