Marcel Kirchner, Thomas Schmidt - Never Prompt Alone! Erfahrungsbericht zum globalen Einsatz des lernOS KI-Leitfadens
Marcel Kirchner, Thomas Schmidt: Never Prompt Alone! Erfahrungsbericht zum globalen Einsatz des lernOS KI-Leitfadens
Nachdem wir im vergangenen Jahr den lernOS KI-Leitfaden neben dem offenen KI-MOOC auch bei Continental intern mit etwa 200 KollegInnen pilotieren konnten, durften wir diesen von Januar bis Mai 2025 in enger Zusammenarbeit von IT, Communications und Learning allen anbieten. Das (e)skalierte gleich mal richtig und so konnten wir die Lernreise nun mit über 3.000 Interessierten durchführen. Was dabei alles zu beachten war, wie der Leitfaden ankam, was für eine besondere Prompting Challenge wir zum Abschluss mit allen durchgeführt haben und welche Lessons Learned wir daraus ziehen konnten, wollen wir Euch hier einmal vorstellen. Gerne möchten wir uns auch mit Euch über vergleichbare KI-Upskilling Maßnahmen und aktuelle Wissenslücken im Leitfaden austauschen.
Der Vortrag von Marcel Kirchner und Thomas Schmidt berichtet über den erfolgreichen globalen Einsatz des LernOS KI-Leitfadens bei Continental. Die beiden Referenten teilten ihre Erfahrungen mit einer Lernreise, an der über 3.000 Mitarbeitende teilnahmen, und zeigten auf, wie KI-Kompetenzen in einem Großkonzern systematisch aufgebaut werden können. Der Titel "Never Prompt Alone" spiegelt das zentrale Motto wider: KI sollte nicht isoliert, sondern gemeinsam in Learning Circles erlernt und angewendet werden.
Der Vortrag gliederte sich in vier Hauptthemen:
- Company Framework: Wie schließt man Wissenslücken, um KI in einem größeren Konzern einsetzbar zu machen?
- Die Lernreise selbst: Evaluation und Erfahrungen mit Learning Circles
- Erfahrungswerte: Live-Berichte aus der Praxis und eine innovative Prompting-Challenge
- Fazit: Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
Kernaussagen des Vortrags
Das Company Framework: Voraussetzungen für KI-Einsatz im Konzern
Die erste zentrale Erkenntnis betrifft die notwendigen Rahmenbedingungen für den KI-Einsatz in Großunternehmen. Marcel Kirchner betonte: "Das Allerwichtigste ist, bindet natürlich die IT mit ein, weil die koordiniert auch die Freigaben. Die steht so ein bisschen, ist so wie die Spinne im Netz."
Bei Continental führte dies zu einer klaren Tool-Entscheidung in Richtung Microsoft Copilot for Web, der in der Company-Lizenz inkludiert war. Besonders herausfordernd war die anfängliche Situation: "Da hatten wir schon mal eine Session vorgestellt im vergangenen Jahr. Da war die Freigabe am Anfang noch nicht da, sodass die Kollegen und Kolleginnen mit dem Leitfaden gestartet sind und dann quasi mit den Hufen scharren wollten sie unbedingt prompten und konnten aber noch kein Tool nutzen."
Mehrere Compliance-Bereiche mussten einbezogen werden: - Cyber Security: Prüfung der Datenflüsse und Sicherstellung der Speicherung im eigenen Tenant - Data Compliance: Orientierung am AI Act der EU und Definition erlaubter Schutzklassifizierungen - Legal: IP-Schutz und Copyright-Fragen - Betriebsrat: Sicherstellung, dass keine Verhaltens- und Performancekontrolle stattfindet
Die Lernreise: Social Learning in der Praxis
Die Lernreise basierte auf dem Social Learning Prinzip und nutzte bewusst die im Arbeitsalltag verwendeten Tools wie Teams, SharePoint und OneNote. Kirchner erklärte die Philosophie: "Wir haben uns natürlich so ein bisschen an der Idee orientiert, dass Lernen und Arbeiten zusammenwachsen. Deswegen haben wir auch die Toolwelt verwendet wie Teams oder eben SharePoint und OneNote als Leitfaden-Template, damit einfach die Tools verwendet werden, die im Arbeitsalltag auch tagtäglich im Einsatz sind."
Ein besonderer Aspekt war die Bildung der Learning Circles: "Das Ganze haben wir evaluiert... und das war tatsächlich auch eine Co-Pilot-Action. Also wir haben mit Co-Pilot zusammen versucht, Circles zu bilden, haben natürlich da auf die Zeitzonen achten müssen."
Die Lernreise erstreckte sich über 15 Wochen (statt der ursprünglich geplanten 12 Wochen) und beinhaltete vier zentrale Ankerpunkte: Kick-off, zwei Pitstops und ein Closing-Event. Thomas Schmidt ergänzte: "Diese Zwischenstops, die wir da drin haben, beziehungsweise diese zusätzlichen Wochen, das ist was, was man bei solchen Peer-Learning-Programmen bei uns eigentlich immer mit einbauen, damit diese ganze Masse an Leuten möglichst so irgendwo in einer Ecke unterwegs ist."
Beeindruckende Teilnehmerzahlen und deren Ursachen
Die Resonanz übertraf alle Erwartungen: Über 3.000 Mitarbeitende registrierten sich für die Lernreise. Schmidt erklärte die Gründe: "Das Thema hat dann einfach gezogen, weil es war brandaktuell, dass ab Oktober die Freigabe kam und dann haben viele schon gefragt, ja wann gibt es denn da ein Rollout für uns, wann können wir uns orientieren, wo kriegen wir Orientierungshilfe."
Ein wichtiger Erfolgsfaktor war die systematische Kommunikationsstrategie: "Wir hatten bei uns in der Guide-Strategie ein Fokusthema, das hieß Rising Visibility... Und dadurch haben wir eine recht große Masse an Leute ansprechen können."
Leadership-Engagement als Erfolgsfaktor
Ein entscheidender Aspekt war die Einbindung der Führungsebene. Kirchner berichtete: "Gleichzeitig haben wir die Leitungsrunde auch abgeholt, wir haben die quasi nicht durch die zwölf Wochen geschickt, weil sie gesagt hätten, die Zeit haben wir nicht, jede Woche. aber wir haben dann Deep Dive Workshops mit denen organisiert."
Diese Workshops führten zu konkreten Ergebnissen: "Und das haben die wirklich mitgemacht... und dann waren die halt begeistert, was alles geht, wie man auch Prompts schreiben kann, dass man das auch umdrehen kann und sich quasi Prompts verbessern lassen kann von der KI."
Evaluation und Erkenntnisse zur Learning Circle Methode
Die systematische Evaluation zu drei Zeitpunkten (Woche 1, 6 und 13-15) brachte wichtige Erkenntnisse. Kirchner fasste zusammen: "Deswegen würde ich ganz klar sagen, ja, Learning Circles funktionieren, aber sie sind eben auch kein Selbstläufer. Und ich glaube, dass das wichtig und gut ist, so eine Guidance mit anzubieten."
Die Abschlussquote lag bei etwa 50 Prozent: "Und am Ende haben ungefähr die Hälfte dieses Zertifikat auch abgeschlossen und runtergeladen. Also man kann davon ausgehen, dass die Hälfte es tatsächlich durchgeführt und auch beendet hat."
Bezüglich des Zeitaufwands bestätigte sich die Empfehlung: "wir haben es ausgewertet, im Piloten kam raus, dass wir tatsächlich von dieser etwa zweistündigen empfohlenen wöchentlichen Arbeit ausgehen können."
Praktische Erfahrungen: Die Prompting-Challenge
Thomas Schmidt entwickelte für das Closing-Event eine innovative Prompting-Challenge, die über einfache Bild-Prompts hinausging: "Die Challenge selber... die meistens dann so gelaufen sind, waren eher auf die Ecke. Ja, hier ist ein Bild, prompte das mal nach. Das ist eine richtig geile Sache für die Einsteiger, weil du ziemlich schnell was hast, aber für die Leute, die den KI-Leitfaden durch haben, die sollten schon ein Stück weiter sein."
Die Challenge simulierte eine realistische Arbeitssituation: Ein Untersuchungsbericht sollte innerhalb von 30 Minuten für ein Steering Board Meeting in einen One-Pager umgewandelt werden. Schmidt betonte dabei: "Von der Strategie her an der Stelle ebenfalls genau in die Richtung, so ein One-Prompt wird nicht funktionieren."
Wichtige Erkenntnisse zum KI-Einsatz
Ein zentrales Learning war die Bedeutung des Dialogs mit der KI. Schmidt erklärte: "Für mich war der Punkt oder das Hauptelement, mein Hauptbenefit daraus, zum Lernen, wie kommt man in den Austausch mit der KI. Also sprich, so One-Prompt-Solution, wie es das bei LinkedIn und so weiter kriegst, die gibt es halt einfach nicht."
Er unterstrich auch die Grenzen der KI-Tools: "Die Sachen sind halt nur so smart und intelligent wie die Person, die davor sitzt. Bedeutet auch in dem Fall Bullshit in ist Bullshit out."
Bezüglich der praktischen Anwendung warnte er vor zu hohen Erwartungen: "die PowerPoint-Slides, die dir Co-Pilot liefert. Der Inhalt mag drauf sein, optisch kannst du das komplett vergessen."
Multiplikatoreffekt und Organisationsentwicklung
Die Lernreise hatte positive Auswirkungen auf andere Bereiche des Unternehmens. Kirchner berichtete: "Also wir wissen, dass es intern Initiativen gab. Es gab dann mehrere Fachbereiche, die auch uns zugekommen sind und gesagt haben, cool, was ihr für ein Template habt."
Dies führte zu weiteren Lernreisen: "Wir wissen also, dass es in bestimmten Departments ähnlich weiter durchgeführt wird gerade, also es gibt drei oder vier weitere Lernreisen, die gerade stattfinden."
Handlungsempfehlungen und Call to Actions
Die Referenten formulierten mehrere konkrete Handlungsempfehlungen für andere Organisationen:
Für die Implementierung von KI in Unternehmen:
- IT-Abteilung frühzeitig einbinden und als zentralen Koordinator etablieren
- Alle Compliance-Bereiche (Cyber Security, Data Compliance, Legal, Betriebsrat) systematisch abarbeiten
- Klare Tool-Entscheidungen treffen und entsprechende Freigabeprozesse durchlaufen
- Führungsebene aktiv einbinden und durch praktische Workshops abholen
Für die Durchführung von Learning Circles:
- Guided Approach wählen statt komplett selbstorganisierte Durchführung
- Facilitatoren und erfahrene Guides in den Circles verteilen
- Regelmäßige Pitstops und Austauschformate einbauen
- Ausreichend Pufferzeit für Feiertage und Urlaubszeiten einplanen
- Realistische Erwartungen bezüglich der Abschlussquote haben (ca. 50%)
Für den KI-Einsatz:
- Dialog mit der KI suchen statt One-Prompt-Lösungen zu erwarten
- Gemeinsames Lernen fördern: "Never Prompt Alone"
- Praktische, arbeitsplatznahe Anwendungsfälle entwickeln
- Kontinuierliche Evaluation und Anpassung der Programme
Abschließender Aufruf:
Kirchner schloss mit einer klaren Empfehlung: "dass es nicht alleine getan werden sollte. Also Never Prompt Alone hat sich bewährt und wir können nur empfehlen, probiert es aus, bringt LernOS in eure Firma rein und lebt es zusammen. Das ist unsere Empfehlung."
Die Referenten betonten, dass LernOS und der Umgang mit Learning Circles "rockt" und dass sie es weiter ausprobieren wollen. Sie ermutigen andere Organisationen, ähnliche Wege zu gehen und die Kraft des gemeinsamen Lernens zu nutzen.
Fazit
Der Vortrag demonstrierte eindrucksvoll, wie systematisches Change Management, die richtige technische und rechtliche Vorbereitung sowie ein durchdachtes Lernkonzept zu außergewöhnlichem Erfolg führen können. Die Kombination aus strukturierter Herangehensweise und dem Prinzip des gemeinsamen Lernens erwies sich als Schlüssel für die erfolgreiche KI-Einführung bei Continental. Die Erfahrungen zeigen, dass Learning Circles funktionieren, aber professionelle Begleitung benötigen, und dass der Dialog mit der KI wichtiger ist als perfekte Einzelprompts.