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Harald Schirmer - How to close the Knowledge Gap in Management

Harald Schirmer: How to close the Knowledge Gap in Management

Je weiter die Karriere nach oben geht, um so weniger Zeit haben Manager, hinzu kommt steigendes Alter. Wie können wir - und welche Arten von - Lernen wieder präsenter machen? Wie kann ein sensibel-bewusster Umgang mit KI relevantes Wissen zugänglicher machen? Wie drehen wir den Management “Habitus” vom “alles wissen müssen” zum “Fragen stellen”?

Harald Schirmer präsentierte in seinem Beitrag die strukturellen Herausforderungen des Lernens in hierarchischen Organisationen, insbesondere auf Management-Ebene. Er analysierte, wie traditionelle Managementstrukturen und -rollen das kontinuierliche Lernen erschweren und entwickelte gemeinsam mit den Teilnehmenden praktische Ansätze zur Überwindung dieser Barrieren. Der Fokus lag dabei auf der Erkenntnis, dass Manager nicht grundsätzlich lernresistent sind, sondern durch systemische Faktoren am Lernen gehindert werden.

Gliederung und Aufbau des Vortrags

Der Vortrag gliederte sich in vier Hauptteile:

  1. Problemanalyse: Identifikation der strukturellen Lernbarrieren im Management
  2. Ursachenforschung: Historische und systemische Gründe für diese Barrieren
  3. Interaktive Diskussion: Sammlung von Herausforderungen und Lösungsansätzen
  4. Praktische Übung: Rollenspiel zur Entwicklung von Überzeugungsstrategien

Die strukturellen Lernbarrieren im Management

Schirmer stellte die zentrale These auf: "Je weiter es nach oben geht, umso mehr sorgt eigentlich die ganzen Regeln, Rollen und Prozesse dafür, dass Lernen dort oben immer schwieriger wird." Diese Barrieren entstehen nicht durch mangelnde Kompetenz der Führungskräfte, sondern durch systemische Faktoren.

Die Teilnehmenden identifizierten folgende Haupthürden:

  • Mangelndes Bewusstsein für Lernbedarfe
  • Zeitmanagement und fehlende Zeitressourcen
  • Gewohnheiten und etablierte Routinen
  • Delegation als Ausweichstrategie ("Dafür habe ich Experten")
  • Angst vor Gesichtsverlust und Reputationsverlust
  • Kontrollverlust und Hilflosigkeit
  • Scham beim Eingestehen von Wissenslücken

Ein besonders prägnantes Beispiel war die Beobachtung: "Es kursiert immer das Gerücht, dass alle Topmanagers super Englisch sprechen müssen. Und ich kriege alle möglichen Reden zu übersetzen, aber nie von Top-Managern."

Historische Wurzeln des Problems

Der Referent erläuterte die historischen Ursprünge der aktuellen Managementstrukturen: "Manager ist deswegen Manager, weil er mehr weiß. Wer hat damals die bessere Bildung gehabt? [...] Die einen sollen arbeiten, die anderen sollen denken."

Diese Denkweise stammt aus einer Zeit relativer Stabilität, in der Manager durch hierarchisches Aufsteigen das Unternehmen kennenlernten und über etabliertes Fachwissen verfügten. Mit zunehmender Dynamik, Komplexität und Internationalität wurde dieses Modell jedoch obsolet.

Schirmer betonte: "Dann haben wir plötzlich festgestellt, dass die anderen, die nicht Manager sind, auch Menschen sind und Bedürfnisse haben und nicht nur Ressourcen sind." Diese Erkenntnis führt zu neuen Anforderungen an das Management, die mit traditionellen Methoden nicht mehr bewältigt werden können.

Die Komplexitätsfalle

Ein zentraler Punkt war die Erkenntnis, dass moderne Komplexität keine Einheitslösungen mehr zulässt: "Wenn hier drin 20 Leute sitzen, muss ich mit 25 Bedürfnissen ausgehen. Da kann ich mit dem One-Size-Fits-All, was ja früher diese Vereinfachung im Management war, komme ich nicht mehr weiter."

Diese Komplexität führt zu einem Paradox: Während Manager ihre Mitarbeitenden zum selbstständigen Lernen ermutigen sollen, fehlen ihnen selbst die Ressourcen und Methoden für kontinuierliches Lernen.

Der Teufelskreis der Managementpraxis

Schirmer beschrieb den typischen Alltag von Führungskräften: "Deren Tagesgeschäft ist, von früh bis spät von einem Meeting im anderen zu sitzen. Und das im 15, 20, 30 Minuten Takt." In diesem Kontext wird Lernen als zusätzliche Belastung wahrgenommen, nicht als integraler Bestandteil der Arbeit.

Besonders problematisch ist die Erwartungshaltung: "Ich darf gar nicht nichts wissen, klassisches Management. Ich bin ja der, der die Antworten geben soll." Diese Rolle verhindert das Eingestehen von Wissenslücken und damit den ersten Schritt zum Lernen.

Delegation als Scheinlösung

Ein wiederkehrendes Thema war die Tendenz zur Delegation von Lernprozessen: "Eine der ganz großen Fähigkeiten [...] ist, dass Leute, da kommt was Neues, Agile oder ESN oder AI [...] diesen Lead of Urgency, diesen Moment zu erkennen, wie lang man es ignorieren kann und ab wann man sofort Profi drin ist."

Diese Strategie führt zu oberflächlichem Halbwissen: "Es gibt schon einen Kreis, wahrscheinlich der Management Assistent oder Management Assistentin, die dann geschickt wird zum Lernen und dann eine Summary machen soll für halbe Stunde."

Positive Beispiele und Lösungsansätze

Trotz der strukturellen Probleme wurden auch positive Beispiele diskutiert. Eine Teilnehmerin berichtete von einer Vorständin, die "sehr offen mit um[geht]. Und ich merke, dass auch die drei anderen Geschäftsleitungsmitglieder sehr viel mehr Open Mind haben."

Diese Führungskraft zeichnete sich durch folgende Eigenschaften aus: - Aktives Lernen stiftungsspezifischer Themen - Zusammenarbeit mit der Basis - Offenheit für neue Perspektiven - Förderung von Learning Nuggets für alle Mitarbeitenden

Emotionale Dimension des Lernens

Ein wichtiger Erkenntnisgewinn war die Betonung der emotionalen Komponente: "Je höher wir kommen, umso emotionaler wird jede Situation. [...] Jede Entscheidung ist meiner Meinung nach basierend auf einer Emotion, egal in welcher Hierarchie, Flughöhe der Mensch unterwegs ist."

Daraus folgt die Notwendigkeit, emotionale Bedürfnisse zu verstehen, bevor technische Lösungen angeboten werden können.

Praktische Lösungsstrategien

Aus der interaktiven Diskussion entstanden konkrete Handlungsempfehlungen:

Zugänglichkeit und Dialog: Manager sollten sich für den Dialog mit Mitarbeitenden öffnen und in Diskussionsrunden teilnehmen, um sowohl zu lernen als auch die Wirkung ihrer Entscheidungen zu verstehen.

Peer-Learning auf gleicher Hierarchieebene: "Angebote auf dem gleichen Hierarchie-Level machen sollte. [...] unsere Top-Führungskräfte, die machen ganz oft Lernreisen, bei denen sie sich mit anderen Leuten auf Sea-Level treffen."

Reverse Mentoring: Jüngere oder technisch versiertere Mitarbeitende können als Mentoren für Führungskräfte fungieren, wobei klare Erwartungen und Vertrauen essentiell sind.

Storytelling und Beispiele: Konkrete Erfolgsgeschichten können Widerstände abbauen und Lernbereitschaft fördern.

Technologische Unterstützung durch KI

Der Vortrag thematisierte auch die Rolle von KI als Lernunterstützung. Vorgeschlagen wurden: - Intelligente Agenten zur Informationsaufbereitung - 24/7 verfügbare Sparringspartner für Entscheidungsfindung - Automatisierte Zusammenfassungen und Briefings - Proaktive Informationsbeschaffung

Systemische Hindernisse

Schirmer wies auf strukturelle Probleme hin: "Das individuelle Bonussystem oder bei Executive Short-Term-Bonus ist teilweise so pervers, dass das aktiv sinnvolle unternehmerische Prioritäten und Entscheidungen konterkariert."

Diese Anreizsysteme fördern kurzfristiges Denken und verhindern Investitionen in langfristiges Lernen und Entwicklung.

Die Rolle von Vertrauen und Netzwerken

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist das Vorhandensein vertrauensvoller Beziehungen: "Wenn du so einen Trusted Irritator hast, der auch auf Management-Ebene Vertrauen genießt, dann wird es echt schwer, wenn du den nicht mehr hast."

Netzwerke und Communities können diese Rolle übernehmen, benötigen aber institutionelle Unterstützung und Schutz vor politischen Eingriffen.

Handlungsempfehlungen

Der Vortrag endete mit mehreren konkreten Aufrufen zum Handeln:

Dranbleiben und nicht aufgeben: Trotz Widerständen sollten Lernförderer kontinuierlich an der Überzeugungsarbeit arbeiten.

Emotionale Bedürfnisse verstehen: Vor technischen Lösungen müssen die emotionalen Motivationen und Ängste der Führungskräfte erkannt werden.

Geschützte Lernräume schaffen: Hierarchieebenen-spezifische Angebote können den Einstieg erleichtern.

Systematische Ansätze entwickeln: Statt individueller Überzeugungsarbeit sollten strukturelle Veränderungen angestrebt werden.

Kontinuierliches Lernen integrieren: Lernen muss als integraler Bestandteil der Managementarbeit verstanden werden, nicht als zusätzliche Aufgabe.

Fazit

Haralds Beitrag machte deutlich, dass die Lernresistenz im Management nicht auf persönliche Defizite zurückzuführen ist, sondern auf systemische Barrieren. Die Lösung erfordert sowohl individuelle Ansätze zur Überzeugungsarbeit als auch strukturelle Veränderungen in Organisationen. Dabei spielen Vertrauen, emotionale Intelligenz und die Schaffung geeigneter Lernumgebungen eine entscheidende Rolle.

Die Botschaft war klar: "Es geht. Wir haben bei der [Organisation] [...] den Mut machen, es geht." Mit den richtigen Methoden und ausreichend Beharrlichkeit können auch traditionelle Managementstrukturen für kontinuierliches Lernen geöffnet werden.