Björn Schotte - Der große Technologie-Struktur-Gap - Warum KI nicht an Technologie, sondern an Strukturen scheitert
Björn Schotte: Der große Technologie-Struktur-Gap: Warum KI nicht an Technologie, sondern an Strukturen scheitert
KI verändert radikal, wie Produkte entstehen: Hypothesen werden aus Daten generiert, funktionierender Programmcode entsteht automatisch on the fly, Prototypen werden live validiert, und Entscheidungen durch KI vorbereitet und ausgelöst – ohne, dass Teams klassisch „arbeiten“ müssen. Wir erleben den Aufstieg hyperautomatisierter Produktarbeit, ermöglicht durch Agentic Meshes (dynamisch koordinierte Netzwerke spezialisierter KI-Agenten), adaptive Systeme und kontinuierlich ablaufende Feedback- und Release-Schleifen. Doch während die Technologie längst bereit ist, bleibt eine Sache zurück: die Organisation selbst. In traditionellen Strukturen stoßen AI-first Ansätze schnell an Grenzen – sei es durch Rollenbilder, Freigabeprozesse oder das vorherrschende, durch KI sehr schnell veraltende Verständnis von Produktarbeit. Die eigentliche Limitierung ist nicht mehr technologisch – sie ist strukturell: Die Organisation und ihre Architektur sind nicht dafür gebaut, mit KI Schritt zu halten. Und wer das nicht erkennt, wird nicht nur ausgebremst – sondern verliert den Anschluss. Relevanz, Innovationskraft und Entscheidungsfähigkeit stehen auf dem Spiel. KI verändert das Spielfeld – und Organisationen, die sich nicht mitverändern, werden ersetzt. In dieser Session wird zeigt, warum es nicht reicht, KI-Tools einzuführen oder Prozesse zu modernisieren. Nur wer auch die Organisation neu denkt – ihre Struktur, Schnittstellen, Entscheidungswege – wird das Potenzial von KI wirklich freisetzen. Mit Beispielen aus der Praxis wird deutlich, wie dieser Wandel gelingt, bevor das eigene Setup zum Bremsklotz wird – oder einen überrollt.
Der Beitrag von Björn Schotte behandelt die zentrale These, dass KI-Implementierungen in Unternehmen nicht primär an der verfügbaren Technologie scheitern, sondern an ungeeigneten Organisationsstrukturen. Er argumentiert, dass Unternehmen ihre Strukturen grundlegend überdenken müssen, um die vollen Potenziale von KI-Systemen zu nutzen. Dabei steht die Transformation von isolierten Wissenssilos hin zu vernetzten, semantischen Wissensarchitekturen im Mittelpunkt. Der Vortrag zeigt auf, wie metakognitive Agentensysteme und plattformbasierte Ansätze Unternehmen dabei helfen können, Wissensarbeit zu skalieren und echte Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Einführung und Problemstellung
- Interaktive Diskussion über aktuelle KI-Nutzung in Unternehmen
- Grundsätzliche Einordnung von Sprachmodellen vs. autonomen Workflows
- Zentrale These: "Wissen, das nicht wirkt, ist wertlos"
Drei zentrale Trends im KI-Bereich
- KI als Infrastrukturthema
- Skalierbarkeit von Wissensarbeit
- Entwicklung von statischen zu metakognitiven Agentensystemen
Gewinner und Verlierer der KI-Transformation
- Semantische Wissensarchitekturen als Erfolgsfaktor
- Probleme traditioneller Silostrukturen
Organisatorische Herausforderungen und Lösungsansätze
- Blinde Flecken in Unternehmen
- Wandel von dokumentationsbasierten zu agentischen Systemen
- Praktische Implementierungsstrategien
Handlungsempfehlungen und Ausblick
- Kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen
- Beispielarchitekturen und Use Cases
Kernaussagen des Vortrags
Wissen als Wertschöpfungsfaktor
Die fundamentale Aussage des Vortrags lautet: "Wissen, das nicht wirkt, ist wertlos." Schotte illustriert dies am Beispiel von Confluence-Wikis, wo Informationen zwar gespeichert, aber schwer auffindbar sind. Er betont, dass selbst kleine Unternehmen mit 80 Mitarbeitern bereits Schwierigkeiten haben, relevante Inhalte in ihren Wissenssystemen zu finden.
Die Herausforderung liegt in der Skalierbarkeit von Wissen. Während Menschen noch mit Notizen beschäftigt sind, können KI-Systeme bereits Reports generieren und auf deren Basis Handlungen durchführen. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass Wissen nicht nur abgelegt, sondern aktiv nutzbar gemacht werden muss.
KI als Infrastrukturthema
Ein zentraler Trend ist die Entwicklung von KI zu einem Infrastrukturthema. Schotte warnt vor der Gefahr, dass Unternehmen ihre Silostrukturen digital nachbauen, wenn sie für einzelne Abteilungen spezialisierte KI-Tools anschaffen. Er erklärt: "Wenn Unternehmen anfangen, für ihre einzelnen Bereiche und Abteilungen singuläre Tools anzuschaffen [...] dann baut ihr ja eigentlich nur eure Silostruktur digital nach."
Stattdessen sollten Unternehmen KI als Plattform denken, mit Use Cases, die aufeinander aufbauen und Agentensystemen, die sich untereinander austauschen. Dies erfordert organisatorische Veränderungen, die über reine Technologieimplementierung hinausgehen.
Skalierbarkeit von Wissensarbeit
Der zweite wichtige Trend betrifft die Skalierbarkeit von Wissensarbeit. Schotte zitiert aktuelle Studien, die zeigen, dass etwa zwei Drittel der Wissensarbeiterjobs entweder zu mehr als 50 Prozent von KI durchdrungen oder vollständig ersetzt werden. Dabei geht es nicht primär um Jobverluste, sondern um die Behebung von Engpässen.
Er illustriert dies am Beispiel eines Übersetzungsunternehmens: "Die brauchen jetzt weniger Übersetzer, aber die schmeißen keine Leute raus, weil die Übersetzer haben sie erst gar nicht bekommen." KI ermöglicht es, Fachkräftemangel zu kompensieren und Kapazitäten zu schaffen, die anders nicht verfügbar wären.
Metakognitive Agentensysteme
Die Entwicklung von statischen zu metakognitiven Agentensystemen stellt den dritten zentralen Trend dar. Schotte erklärt: "Die AI-Systeme, wenn sie so programmiert sind, sind in der Lage, sich selbst zu reflektieren, auf der Basis zu adaptieren, den Kontext, in dem sie gerade ablaufen, zu beobachten und danach zu handeln."
Diese Systeme können mit Unbekanntem umgehen, lernen was sie nicht wissen und versuchen, sich das Wissen selbst beizubringen. Durch Selbstreflexion wird es möglich, den Menschen aus dem Prozess herauszunehmen, da das Agentensystem selbstständig lernt, was Wahrheit ist und was nicht.
Semantische Wissensarchitekturen als Erfolgsfaktor
Gewinner der KI-Transformation sind Unternehmen mit semantischen Wissensarchitekturen. Diese gehen über einfache RAG-Systeme (Retrieval-Augmented Generation) hinaus und können aus Daten Sinn machen. Schotte beschreibt: "Wenn ihr euch komplexe PDFs anschaut, sind Tabellen drin, dann habt ihr irgendwo eine Grafik, die eingebettet ist im PDF, die hat einen Umsatzchart drin und drei Seiten später im PDF-Text wird sich auf das Umsatzchart bezogen."
Moderne Systeme können durch Vision-Modelle solche Zusammenhänge erkennen und semantische Verbindungen zwischen verschiedenen Datenschichten herstellen. Dies ermöglicht "Intelligence on Tap" - Wissen, das immer zur richtigen Zeit im jeweiligen Kontext verfügbar ist.
Organisatorische Hindernisse
Schotte identifiziert mehrere blinde Flecken in Unternehmen: - Informationsüberfluss bei gleichzeitigem Wissensmangel - Nicht maschinenlesbares Wissen - Fehlende Kontextualisierung - Verstreute Daten ohne semantische Verbindungen - Mangelnde Selbstlernfähigkeit der Systeme
Er betont: "Unternehmen, die das noch nicht berücksichtigen, sind dann halt noch ein bisschen weiter unten." Der große Denkfehler liegt darin, erst alle Daten zu dokumentieren und zu bereinigen, bevor KI eingesetzt wird. Moderne KI-Systeme können jedoch dabei helfen, Wissen überhaupt erst zugänglich zu machen.
Wandel in der Produktentwicklung
Ein besonders interessanter Aspekt betrifft die Veränderungen in der Softwareentwicklung. Schotte erklärt: "Ich habe keinen Bock mehr auf Scrum, bin ich ganz ehrlich." Mit KI können Features in Stunden oder Minuten entwickelt werden, was traditionelle Entwicklungsmethoden obsolet macht.
Er beschreibt einen neuen Ansatz: "Damit man in der Softwareentwicklung erfolgreich mit AI ist [...] geht man vor wie ein guter Architekt und wie ein guter Planer." Dies bedeutet, zunächst in eine planerische Diskussion mit dem KI-System zu gehen, bevor in kleinen Schritten entwickelt wird.
Handlungsempfehlungen
Kurzfristige Maßnahmen
Schotte empfiehlt, zunächst Engpässe zu identifizieren und Use Cases zu formulieren. Er betont: "Wer keine Idee für Use Cases hat, der guckt entlang für Engpässe." Dort wo Engpässe bestehen, kann ein "Proof of Impact" aufgebaut werden, anstatt sich in endlosen Konzepten zu verlieren.
Mittelfristige Strategien
Mittelfristig müssen Unternehmen in Plattformdenken investieren, semantische Architekturen aufbauen und metakognitive Agenten entwickeln. Dabei ist es wichtig, nicht bei einzelnen Tools stehen zu bleiben, sondern vernetzte Systeme zu schaffen.
Langfristige Transformation
Das langfristige Ziel ist die Entwicklung zu einer selbstlernenden KI-Organisation, in der Wissen als Infrastruktur und nicht als Abfallprodukt behandelt wird. Schotte warnt: "Wenn ich in meiner Organisationsstruktur verbleibe und nur schaue, wie kann ich innerhalb des einzelnen Teilbereichs optimieren, kann ich die Hebeleffekte, die solche AI-Systeme bieten, gar nicht nutzen."
Konkrete Umsetzungsschritte
- Informationssilos zu vernetzten Wissensgraphen transformieren
- Adaptive agentengesteuerte Abläufe statt dokumentierter Prozesse implementieren
- Lernende metakognitive Systeme etablieren
- Kontextbasiertes autonomes Handeln ermöglichen
- Stufenweise Implementierung mit sofortigem Start
Technologische Empfehlungen
Schotte empfiehlt den Einsatz von Open-Source-Frameworks und warnt vor klassischen Softwareprojektansätzen bei KI-Implementierungen. Er betont die Wichtigkeit von Graph-basierten Systemen und semantischen Plattformen, die dezentral-zentral organisiert sind.
Organisatorische Veränderungen
Für erfolgreiche KI-Implementierung brauchen Unternehmen mehr Agilität denn je. Schotte fordert: "Ich brauche mehr Automatik, weil ich sonst den Hebel, den AI mir bietet, gar nicht umsetzen kann." Dies erfordert fundamentale Änderungen in Organisationsstrukturen und Denkweisen.
Der Beitrag schließt mit der Mahnung, dass 2025 keine Zeit mehr für Experimente bleibt: "2025 gibt es keine Excuses, wir müssen jetzt Geld verdienen mit AI." Unternehmen müssen jetzt handeln, um nicht den Anschluss zu verlieren und echte Wettbewerbsvorteile durch KI zu erzielen.