Andreas Trebing, Felix Harling - The Second Brain Gap - Sammelst du noch oder denkst du schon?
Andreas Trebing, Felix Harling: The Second Brain Gap - Sammelst du noch oder denkst du schon?
Tacit Knowledge verwandelt sich nicht automatisch in Explicit Knowledge. Zettelkasten bietet einen Weg, um gezielt aus Tacit Knowledge für dein zukünftiges Ich Explicit Knowledge bereit zu stellen. Und das mit Spaß und intrinsischer Motivation. Die Session wird gestaltet von Andreas Trebing (Co-Autor des Zettelkasten Leitfadens) und Felix Harling (aktuell in einem Zettelkasten Lernzirkel). Eingeladen sind alle Teilgebenden, die neugierig sind, Zettelkasten aus der Praxis kennenzulernen.
In diesem Beitrag von Andreas Harling und Felix Trebing geht es um die Unterscheidung zwischen dem bloßen Sammeln von Informationen und dem aktiven Verarbeiten von Wissen durch die Zettelkasten-Methode. Die beiden Referenten erläutern, wie man von einem passiven Informationssammler zu einem aktiven Wissensverarbeiter wird und dabei das volle Potenzial seiner gesammelten Erkenntnisse ausschöpft. Der Vortrag basiert auf praktischen Erfahrungen aus einer zwölfwöchigen Zettelkasten-Lernreise und zeigt konkrete Wege auf, wie persönliches Wissensmanagement transformiert werden kann.
Einführung und Vorstellung der Referenten
- Andreas Trebing: Ingenieur und Zettelkasten-Experte, Mitautor des Zettelkasten-Leitfadens
- Felix Harling: Zettelkasten-Neuling mit praktischen Erfahrungen aus der Lernreise
Check-in: Vertrautheit mit dem Zettelkasten
- Erhebung der Vorerfahrungen der Teilnehmer
- Kategorisierung: Newbies, bis ein Jahr Erfahrung, bis drei Jahre, über drei Jahre
Hauptteil: Vom Sammeln zum Verarbeiten
- Unterscheidung zwischen PKM und Zettelkasten
- Die Bedeutung der eigenen Sprache
- Praktische Erfahrungen und Erkenntnisse
Diskussion und Fragen
- Offene Fragerunde mit den Teilnehmern
- Klärung praktischer Aspekte
Rolle der KI im Zettelkasten
- Grenzen und Möglichkeiten von KI-Unterstützung
Kernaussagen des Vortrags
Der fundamentale Unterschied zwischen Sammeln und Verarbeiten
Andreas Harling erklärt den zentralen Unterschied: "Der Hauptpunkt oder einer der Hauptpunkte beim persönlichen Wissensmanagement ist, Informationen zu sammeln und schnell verfügbar zu machen für einen persönlich. [...] Der Zettelkasten hingegen zielt darauf ab, die Gedanken dazu zu strukturieren, zu sammeln."
Die Kernaussage ist, dass beim Zettelkasten nicht Fakten und Artikel direkt abgelegt werden, sondern die eigenen Gedanken dazu. Es geht um die Frage: "Welchen Gedanken hast du selber dazu, wie ist der Kontext für dich selber dazu und das reinzubringen und zu strukturieren."
Die Bedeutung der eigenen Sprache
Ein zentraler Aspekt ist die Verwendung der eigenen Sprache im Zettelkasten. Andreas betont: "Heißt aber auch, dass im tatsächlichen Zettelkasten, dass die Informationen, die Gedanken im eigenen Metamodell der Sprache aufgeschrieben werden."
Der Vorteil liegt darin, dass man nach Jahren noch direkt an die eigenen Gedanken anknüpfen kann, ohne einen "Content-Kontext-Switch" zu erleben. Während fremde Texte eine erneute Einarbeitung erfordern, sind die eigenen Formulierungen sofort verständlich und nutzbar.
Externalisierung ermöglicht paralleles Denken
Andreas erklärt die kognitiven Vorteile: "Vorteil, den es bietet, wenn ich es somit externalisiere, meine Gedanken, bietet mir natürlich auch die Möglichkeit, mehr als einen Gedanken mal parallel zu betrachten."
Durch das Aufschreiben können mehrere Gedanken gleichzeitig betrachtet, verglichen und weiterentwickelt werden, was rein mental schwer möglich ist.
Die Notwendigkeit der Verlinkung
Ein wichtiger Grundsatz ist, dass jede Notiz im Zettelkasten verlinkt sein muss: "Nur was auch mit anderen Gedanken verlinkt ist, sollte im Zettelkasten drin sein, sonst hast du eine Notiz, die alleine steht."
Ohne Verlinkungen entstehen isolierte Gedanken, die nicht weiterentwickelt werden können und den Zweck des Zettelkastens verfehlen.
Felix' Erkenntnisse aus der Lernreise
Felix teilt seine wichtigste Erkenntnis: "Ich habe viel gesammelt, aber habe es wirklich genutzt. Das war für mich wirklich eine der Haupterkenntnisse von dieser Lernreise Zettelkasten."
Er beschreibt den Paradigmenwechsel: "Ich habe erkannt, nach Woche vier von dieser Lernreise, ich habe bislang das Potenzial von meinen Notizen komplett verschenkt."
Permanente Notizen als Grundbaustein
Felix erklärt das Konzept der permanenten Notizen: "Es geht wirklich darum, meine eigenen Gedanken zu formulieren und zwar in einer Art und Weise, dass die auch granular sind, dass es nicht globalgalaktische Notizen sind, sondern wirklich so eine granulare, permanente Notiz ist."
Diese permanenten Notizen haben eine spezifische Struktur: - Selbsterklärender Titel - Inhaltliche Sachgebiete - Der eigentliche Gedanke formuliert - Verweis auf die Quelle
Tägliche Praxis ist entscheidend
Andreas betont die Wichtigkeit der täglichen Arbeit: "Es ist tatsächlich wichtig, das tägliche Arbeit mit einzubringen. Wenn man sich jetzt versucht, einmal die Woche so einen Termin zu machen, wo alle Notizen, die über die Woche gesammelt sind, eingearbeitet werden, [...] ist dann schon der Kontext dazu auch verschwunden."
Die Empfehlung lautet, Gedanken sofort oder zeitnah zu verarbeiten, solange der Kontext noch präsent ist.
Loslassen von Ordnerstrukturen
Felix beschreibt eine wichtige Erkenntnis: "Es fällt einem doch schwer, sich aus diesen Ordnerstrukturen loszulassen. Auch zu vertrauen, dass man eben so Gedanken untereinander verbinden kann und das dann auch weiter nutzen kann."
Der Zettelkasten funktioniert nicht über hierarchische Strukturen, sondern über Verbindungen zwischen Gedanken.
Was aus einem Zettelkasten entstehen kann
Andreas erklärt die praktischen Vorteile: "Es ist relativ einfach, irgendwelche Postartikel zu schreiben, theoretisch auch ein Buch zu schreiben, wenn man entsprechend viel dazu gemacht hat, etwas daraus zu teilen."
Durch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Themen wird das Wissen internalisiert und kann leicht abgerufen und weitergegeben werden.
Die begrenzte Rolle von KI
Andreas positioniert KI klar: "Es geht sehr stark beim Zettelkasten darum, es in den eigenen Worten zu schreiben, sich selber Gedanken zu machen, was heißt das für mich, seinen Zettelkasten so zu strukturieren, die Informationen zu finden, weil es das eigene Denken widerspiegelt und sofern bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine KI notwendig ist."
KI kann höchstens beim Reflektieren helfen, aber der Content muss selbst geschrieben werden, um den Lerneffekt zu erzielen.
Handlungsempfehlungen
Sofortiger Einstieg möglich
Die wichtigste Handlungsempfehlung ist der direkte Start: "Das nächste Schritt, den jeder jetzt gehen kann, ist natürlich so eine Lernreise mit dem Leitfaden zu starten."
Entwicklung eines individuellen Workflows
Felix empfiehlt: "Jeder muss für sich selbst nach seiner Arbeitsweise so einen Workflow entwickeln, wie aus den vielen flüchtigen Notizen aus unterschiedlichen Quellen dann diese permanenten Notizen werden."
Zeit für Verbindungen investieren
Eine konkrete Empfehlung lautet: "Es lohnt sich wirklich, Zeit zu nehmen für Verbindungen. Also dann diese permanenten Notizen anzugucken und sich teilzunehmen, ja, wie hängen die zusammen?"
Tägliche Praxis etablieren
Andreas rät zur Integration in den Alltag: "Wenn die Energie und der Gedanke gerade da ist, diese Energie zu nutzen und es reinzubringen, statt zu versuchen, einen festen Wochentermin zu haben."
Vertrauen in das System entwickeln
Felix ermutigt: "Auch zu vertrauen, dass man eben so Gedanken untereinander verbinden kann und das dann auch weiter nutzen kann."
Praktisches Ausprobieren
Die Referenten betonen durchgehend: Das Konzept erschließt sich erst durch das praktische Anwenden. Theoretisches Verstehen allein reicht nicht aus - es muss gemacht und erfahren werden.
Nutzung vorhandener Ressourcen
- Zettelkasten-Lernpfad nutzen (zwölf Wochen strukturierte Einführung)
- Community-Feedback über GitHub einbringen
- Zusätzliche Quellen wie Hörbücher und YouTube-Videos nutzen
- Bei Fragen die Diskussionsmöglichkeiten im Lernpfad verwenden
Der Beitrag macht deutlich, dass der Übergang vom passiven Sammeln zum aktiven Verarbeiten von Wissen ein fundamentaler Paradigmenwechsel ist, der Zeit, Übung und Vertrauen in das System erfordert, aber langfristig zu einer deutlich effektiveren Wissensarbeit führt.