Brigitte Lüdecke, Harald Schirmer - Digitale Souveränität DigitalBewusstHandeln
Brigitte Lüdecke, Harald Schirmer: Digitale Souveränität DigitalBewusstHandeln
In dieser gemeinsamen Session von Brigitte und Harald geht es um digitale Souveränität und Wege aus der Abhängigkeit von US-Tech. Brigitte berichtet von ihrem persönlichen Ausstieg aus etablierten Diensten wie Microsoft, Amazon und PayPal und möchte zur Gründung einer Lerngruppe einladen. Harald gibt Einblicke in konkrete Alternativen wie Nextcloud und Mastodon – aus Schule, Community und privater Nutzung. Gemeinsam diskutieren wir Tools, Erfahrungen, Herausforderungen und Strategien, um mehr Kontrolle über unsere Daten zu gewinnen und nachhaltige, europäische Lösungen zu stärken. Ziel ist der Austausch und vielleicht sogar ein gemeinsamer Leitfaden.
Der Beitrag von Brigitte Lüdecke und Harald Schirmer behandelt die praktische Umsetzung einer digitalen Transformation weg von US-amerikanischen Diensten hin zu europäischen und Open-Source-Alternativen. Die beiden Referenten teilen ihre persönlichen Erfahrungen beim Wechsel zu datenschutzfreundlicheren Lösungen und demonstrieren live die Nutzung von Nextcloud als zentrale Plattform für Kommunikation, Dateiverwaltung und Zusammenarbeit. Der Fokus liegt auf dem "bewussten digitalen Handeln" und der Bildung einer Lerngemeinschaft, um gemeinsam die Herausforderungen der digitalen Souveränität zu meistern.
Einführung und persönliche Motivation
- Persönliche Geschichten der Referenten
- Zwangsumzüge durch Providerwechsel
- Abhängigkeiten von US-amerikanischen Diensten
Live-Demonstration digitaler Alternativen
- Messenger-Landschaft auf dem Smartphone
- Kalender- und E-Mail-Integration
- Nextcloud als zentrale Plattform
Praktische Umsetzung und Herausforderungen
- Zeitaufwand und Komplexität
- Provider-Vergleiche und Erfahrungen
- Technische Grenzen und Lösungsansätze
Community-Bildung und Ausblick
- Gründung einer Lerngruppe
- Regelmäßige Treffen und Wissensaustausch
- Langfristige Ziele der digitalen Transformation
Kernaussagen des Vortrags
Die Notwendigkeit bewusster digitaler Entscheidungen
Brigitte Lüdecke betont die Wichtigkeit, "bewusst zu handeln" bei der Wahl digitaler Dienste. Sie beschreibt ihre eigene Erfahrung: "Ich war in gewisser Hinsicht abhängig von diesen Dienstleistern. Ich hätte das freiwillig nicht gemacht." Diese Abhängigkeit entstand durch unfreiwillige Providerwechsel, als Domain Factory 2017 von einem US-amerikanischen Unternehmen gekauft wurde und alle E-Mail-Konten auf Microsoft Online-Konten umgestellt wurden.
Die Referentin macht deutlich, dass viele Menschen seit Jahrzehnten bei denselben Anbietern sind: "Ich kenne Leute, die sind seit 20 Jahren mit allen ihren E-Mails bei Gmail. Oder seit 40 bei AOL." Sie plädiert dafür, dass jeder "mal ein bisschen genauer nachdenkt, wo er sein Geld hinbezahlt und von welchen Diensten und Diensten er vielleicht sogar auch abhängig ist."
Open Source als Schutz vor Vendor Lock-in
Harald Schirmer erklärt das Konzept von Open Source am Beispiel Nextcloud: "Es wird programmiert von einer Community, es sind also 2000 Entwickler sozusagen, die da seit mindestens zehn Jahren an dieser Software rumarbeiten." Der entscheidende Vorteil liegt in der rechtlichen Struktur: "Sie gehört nämlich in den Code-Fragmenten jedem einzelnen Entwickler. Das heißt, wenn morgen Microsoft oder Trump oder Musk oder sonst irgendeine Wachmacht China auf die Idee käme, Nextcloud zu kaufen, dann müssten sie, damit sie das hinkriegen, rechtlich mit jedem einzelnen Entwickler auf diesem Planeten einen Vertrag abschließen."
Diese Struktur macht eine Übernahme durch große Technologiekonzerne praktisch unmöglich, da die Open-Source-Gemeinde aus Menschen besteht, "die sagen, der Letzte, der über meine Schwelle kommt."
Pragmatischer Umgang mit der digitalen Realität
Trotz der klaren Präferenz für alternative Dienste zeigt Harald Schirmer einen pragmatischen Ansatz: "Ich versuche jeden dahin zu kriegen, wo ich denke, dass es gut ist für uns alle, aber ich schließe niemanden aus, weil er woanders ist." Er nutzt verschiedene Messenger parallel, weil er die Vielfalt respektiert: "Wenn ich diese Vielfalt, die wir da draußen haben, wenn ich die respektiere, dann ist One Size Fits All eine Methode oder ein Format, was nicht in einer komplexen Welt funktionieren kann."
Diese Haltung spiegelt sich in seiner Geräte-Ausstattung wider, wo er neben bevorzugten Alternativen auch WhatsApp, Teams und Zoom installiert hat, um erreichbar zu bleiben: "Wenn mich jemand anruft, dann will ich nicht erst eine App installieren, sondern will ich rangehen und einfach tun."
Wirtschaftliche Vorteile alternativer Lösungen
Ein überraschendes Ergebnis der digitalen Transformation sind die Kosteneinsparungen. Brigitte Lüdecke berichtet: "Am Ende habe ich meine Server jetzt in Deutschland und es ist alles viel billiger." Harald Schirmer konkretisiert dies am Beispiel Nextcloud: "Das Ding kostet 5 Euro im Monat. Ein Terabyte mit 20 Leuten gleichzeitig."
Für Organisationen sind die Einsparungen noch dramatischer: "Wenn du das bei Microsoft einkaufst oder bei irgendeiner Firma, würde ich mal sagen, brauchen drei Monate dafür und es kostet dich fünf, sieben, sechsstelligen Betrag. Wir sind immer noch bei 5 Euro im Monat mit den Daten bei uns 1 Terabyte."
Benutzerfreundlichkeit ohne Kompromisse
Ein wichtiger Punkt ist, dass alternative Lösungen nicht weniger benutzerfreundlich sind. Harald Schirmer demonstriert: "So in einem Zustand des operativen Arbeitens ist es kein Unterschied, wo die Daten liegen. Für euch. Es ist nicht weniger bequem, es ist nicht schwerer, es ist nicht langsamer. Es ist wirklich, macht Spaß am Schluss."
Die Integration verschiedener Dienste in native Apps funktioniert nahtlos: "Die ganz normalen Apps können das alles. Und das Wichtige zum Verstehen nochmal, diese Apps, die ich euch gerade gezeigt habe, sind ja nur die Zugänge zu den Daten. Die Daten liegen in meiner Hand, in meinen Servern."
Zeitaufwand und Lernkurve
Bezüglich des Aufwands für die Umstellung gibt Harald Schirmer realistische Einschätzungen: "Ich würde behaupten, wenn jemand heute in der ersten Ebene so eine ganz wilde Plattform und da Mail und da Gmail und da was weiß ich was und da ist der Fotospeicher voll und hier habe ich meine Passwörter alle vergessen oder auf Zetteln. Ich würde mal sagen, in ein bis zwei Tagen, also jetzt nicht zehn Stunden, sondern so vier Stunden Sessions, kriegen wir alles komplett aufgeräumt."
Für komplexere Transformationen plant er längere Zeiträume: "Und diese Bewegung, jetzt reden wir von einer Transformation, zum Beispiel von einer Firma oder sowas, da würde ich sagen, halbes Jahr. Und zwar, dass die Leute es wirklich auch nutzen können."
Provider-Unterschiede und Performance
Ein kritischer Aspekt sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Hosting-Anbietern. Harald Schirmer berichtet von negativen Erfahrungen mit Ionos: "Jonas hat genau das gemacht. [...] Du kannst keine User-Migration machen. Und ohne User-Migration kriegst du keine Daten mehr aus der Nextcloud raus. [...] Das heißt, du hast den massivsten Vendor-Login, den ich je gesehen habe."
Im Gegensatz dazu beschreibt er die Erfahrung mit Hetzner: "Und dann bin ich zu Hetzen darüber und habe gesagt, ich arbeite mit Lichtgeschwindigkeit. Also es war so signifikant der Unterschied, was die Geschwindigkeit angeht."
Lernen durch Vielfalt
Ein philosophischer Aspekt des Vortrags ist die Idee des Lernens durch Ausprobieren verschiedener Plattformen: "Ich lerne einfach dadurch, dass ich mich wieder vor die Situation stelle, mein ganzes Betriebssystem umzustellen." Harald Schirmer erklärt: "Ich lerne nicht Nextcloud, sondern ich lerne, wie Ordnerverwaltung geht. Ich lerne nicht WhatsApp, sondern ich lerne, wie Chat-Client geht."
Diese Herangehensweise führt zu einer grundlegenden digitalen Kompetenz: "Und wenn morgen ein neuer Chat-Client kommt, dann werde ich den sicher ausprobieren, um zu sehen, wer immer noch so funktioniert wie alle anderen Chat-Client."
Handlungsempfehlungen und Call to Actions
Sofortiger Einstieg mit Passwort-Management
Als ersten und wichtigsten Schritt empfiehlt Harald Schirmer die Einführung eines Passwort-Managers: "Wenn ihr mit Plattformen arbeitet, braucht ihr einen Plattform-Manager. Das heißt mit anderen Worten, dieses Kapitel schreiben wir als erstes." Er demonstriert seine eigene Lösung mit 800 verwalteten Passwörtern und betont: "Es ist so einfach, damit zu arbeiten, wenn man das Ganze richtig nutzt."
Teilnahme an der Lerngemeinschaft
Ein konkreter Aufruf zur Teilnahme an regelmäßigen Treffen: "Wir treffen uns seit zwei Jahren regelmäßig jeden Dienstagabend 18 bis 18.30 Uhr und nennen den Wissensmanagement Learning Circle auf der Gesellschaft für Wissensmanagement." Die Einladung ist offen: "Ich lade euch ein, am nächsten Dienstag euch da einzuloggen. [...] Wer dabei ist, ist dabei. Und wer nicht dabei ist, der ist dann nicht dabei."
Experimentieren mit Nextcloud
Für den praktischen Einstieg wird die Magenta Cloud der Telekom als niedrigschwelliger Einstieg empfohlen: "Wenn die Telekom-Kunde im Festnetz seid mit die Magenta Cloud, das ist eine Next Cloud. 15 GB sind bei dem normalen Vertrag dabei. [...] Um mal reinzuschnuppern oder mit der Daten zu scheren, reicht das Vorkommen aus."
Bewusste Entscheidungen treffen
Der übergeordnete Aufruf lautet, bewusster mit digitalen Diensten umzugehen. Brigitte Lüdecke fordert auf: "Es ist eine gute Idee, wenn jeder mal ein bisschen genauer nachdenkt, wo er sein Geld hinbezahlt und von welchen Diensten und Diensten er vielleicht sogar auch abhängig ist."
Mut zum Wechseln entwickeln
Harald Schirmer ermutigt zu einer experimentellen Haltung: "Was das Thema Mut zum Wechseln, was das Thema Komfortzone ausweiten ist und so weiter." Er empfiehlt, sich regelmäßig neuen digitalen Herausforderungen zu stellen, um die grundlegenden Prinzipien digitaler Werkzeuge zu verstehen.
Community-Aufbau vorantreiben
Ein wichtiger Aufruf ist die aktive Beteiligung am Aufbau einer Lerngemeinschaft. Die Referenten bitten um Beiträge: "Wer hat vielleicht irgendwie eine Idee, ein Thema, ein Anliegen, ein Problem mitgebracht?" und "Fast alle von uns haben Inhalte, die sie beisteuern könnten, irgendwelche, ganz unterschiedliche, das könnten wir ja einfach mal schreiben, zusammen tragen."
Der Beitrag schließt mit der Vision einer selbstorganisierten Lerngemeinschaft, die gemeinsam die Herausforderungen der digitalen Souveränität meistert und dabei sowohl technische als auch motivationale Aspekte berücksichtigt. Die Botschaft ist klar: Der Weg zu mehr digitaler Unabhängigkeit ist machbar, wirtschaftlich sinnvoll und wird durch eine unterstützende Gemeinschaft erheblich erleichtert.