Oliver Grobs, Tobias Gerndt - Sharing is Caring - Teilen macht reich
Oliver Grobs, Tobias Gerndt: Sharing is Caring - Teilen macht reich
Viele Menschen in den großen Organisationen glauben immer noch, das ihr Wissen einzigartig ist und sie durch ihre Erfahrung einzigartig und unersetzbar sind. Wir wollen uns Gedanken machen, wie wir diese Menschen dazu bewegen können, ihr Wissen gerne zu teilen und ihnen auch Wege zeigen, wie sie das bewerkstelligen.
In diesem Podcast diskutieren Tobias Gerndt (EnBW) und Oliver Grobs (SAP) gemeinsam mit dem Publikum auf der LernOS Convention (LosCon) in Nürnberg die zentrale Frage: Wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden dazu motivieren, ihr Wissen zu teilen? Die Diskussion beleuchtet die Herausforderungen beim Übergang vom reinen Lernen hin zum aktiven Wissensaustausch und stellt praktische Ansätze vor, wie Unternehmen eine Kultur des Teilens etablieren können.
Einführung und Problemstellung
- Vorstellung der Sprecher und des Kontexts (LosCon 2024)
- Definition des "Working Learning Gap"
- Übergang von der Lernbereitschaft zur Teilungsbereitschaft
Kernherausforderungen beim Wissensaustausch
- Das "Unkündbarkeits-Paradigma"
- Kulturelle Barrieren in Unternehmen
- Die Rolle von Führungskräften
Praktische Lösungsansätze
- Multiplikatoren und Aktivatoren
- Zertifizierungsprogramme als Motivationsinstrument
- Community-Building und direkte Ansprache
Diskussion mit dem Publikum
- Erfahrungsaustausch verschiedener Unternehmen
- Rolle von Multiplikatoren
- Mehrwert des Wissensteilens
Kernaussagen
Der Working Learning Gap als zentrale Herausforderung
"Wie bekomme ich jetzt die Menschen dazu, dass sie auch bereit sind, ihr Wissen zu teilen? Denn wenn ich nichts teile, bin ich unkündbar. Denn das Wissen ist ja in meinem Kopf, da wird man mich schon nicht rauswerfen."
Tobias Gerndt identifiziert eine zweistufige Herausforderung: Während viele Unternehmen bereits erfolgreich Lernformate etabliert haben, bleibt die Bereitschaft zum Wissensaustausch oft gering. Das traditionelle Denkmuster, Wissen als persönlichen Schutz vor Kündigung zu betrachten, stellt dabei ein zentrales Hindernis dar.
Wissensteilung als Katalysator für persönliches Wachstum
"Wenn ich mein Wissen teile und andere mein Wissen weitergeben, dann habe ich ja wieder etwas mehr Zeit, was Neues zu lernen, was ich dann wieder weitergeben kann."
Oliver Grobs argumentiert, dass Wissensteilung paradoxerweise zu mehr persönlichem Wissen führt. Durch das Erklären und Diskutieren entstehen neue Erkenntnisse und Freiräume für weiteres Lernen. Dieser Multiplikationseffekt wird jedoch oft übersehen.
Die Bedeutung des Erklärens für das eigene Verständnis
"Wir beide haben das ja ganz oft, wir sitzen zu zweit vor irgendeinem Problem, du erklärst mir, in dem Moment geht dir nochmal extra ein Licht auf, dass du sagst, auf den Aspekt bin ich noch gar nicht gekommen, gut, dass ich es dir gerade erklärt habe."
Das Erklären von Wissen führt zu tieferem Verständnis beim Erklärenden selbst. Dieser Lerneffekt durch Lehren wird als wichtiger Motivationsfaktor für Wissensteilung identifiziert.
Kulturelle Unterschiede in der Teilungsbereitschaft
"Tatsächlich ist das bei uns eigentlich Unternehmenskultur, dass wir tatsächlich teilen, weil ich meine letztendlich, ihr habt die Frage gestellt, was hat der Teilende davon? Er ist ja auch Teilnehmer quasi."
Die SAP-Erfahrung zeigt, dass Wissensteilung als etablierte Unternehmenskultur funktionieren kann, wenn sie als gegenseitiger Austausch verstanden wird. Die Teilenden profitieren gleichzeitig als Empfänger von Wissen anderer.
Die Rolle von Führungskräften
"Es kommt auf die Persönlichkeit des Managers, der Managerin an und es kommt auf das Team an. Also ich glaube, da gibt es keine pauschale Antwort."
Die Anwesenheit von Führungskräften in Wissensaustausch-Formaten kann sowohl förderlich als auch hinderlich sein, abhängig von der individuellen Führungskultur und Teamdynamik.
Multiplikatoren als Schlüssel zur Skalierung
"Ich glaube, ohne Multiplikatoren geht es nicht. Das ist ein ganz großer Faktor."
Die Identifikation und Entwicklung von Multiplikatoren wird als essentiell für die Verbreitung einer Teilungskultur erkannt. Diese Personen fungieren als Brücken zwischen verschiedenen Organisationseinheiten und Hierarchieebenen.
Zertifizierung als Motivationsinstrument
"Wir bieten eine Zertifizierung an. Und diese Zertifizierung, die machen wir ganz niedrigschwellig. Basic-Zertifizierung."
Ein strukturiertes Zertifizierungsprogramm kann Menschen schrittweise vom Lernen zum Lehren führen. Die EnBW-Erfahrung zeigt, wie durch gestufte Zertifizierungen (Basic, Advanced, Expert, Engineer) eine Lernreise gestaltet werden kann, die letztendlich zur Wissensteilung motiviert.
Der Mehrwert muss transparent werden
"Ich glaube, da ist für mich der größte Hebel, wenn wir es schaffen, die Leute dazu zu bewegen, Sachen nicht als Hoheitswissen zu behalten, sondern eben zu sagen, in dem Moment, wo ich es teile, wird es mehr."
Die mathematische Logik des Wissens - es ist das Einzige, was durch Teilung vermehrt wird - muss den Mitarbeitenden bewusst gemacht werden. Der persönliche Mehrwert durch Wissensteilung muss klar kommuniziert werden.
Direkte Ansprache als wirksames Instrument
"Ich spreche die Leute direkt an. [...] Und dann sage ich, Mensch, Max Mustermann, warum hast du denn die Kamera aus? Sag doch mal was, du kennst dich doch da ganz gut aus. Auf einmal geht die Kamera an."
Persönliche, direkte Ansprache erweist sich als effektives Mittel, um passive Teilnehmer zu aktivieren. Diese Methode ist jedoch nicht skalierbar für große Organisationen.
Die 90-10-Regel in Communities
"Wir haben tatsächlich so fünf bis zehn Prozent Superaktive haben und der Rest mit Sicherheit was zum Beitragen hat, aber es nicht tut bis dato."
Die typische Verteilung in Communities zeigt, dass nur ein kleiner Prozentsatz aktiv beiträgt, während die Mehrheit passiv konsumiert. Diese Erkenntnis ist wichtig für realistische Erwartungen und gezielte Aktivierungsmaßnahmen.
Handlungsempfehlungen
Für Unternehmen und Führungskräfte
- Multiplikatoren-Netzwerke aufbauen: Identifizieren und entwickeln Sie Personen, die als Wissensbrücken zwischen verschiedenen Bereichen fungieren können
- Niedrigschwellige Zertifizierungsprogramme etablieren: Schaffen Sie strukturierte Lernpfade, die schrittweise zur Wissensteilung führen
- Den Mehrwert transparent kommunizieren: Machen Sie deutlich, welche persönlichen und beruflichen Vorteile Wissensteilung bringt
- Kulturwandel aktiv vorantreiben: Etablieren Sie Wissensteilung als selbstverständlichen Teil der Unternehmenskultur
- Verschiedene Formate anbieten: Nutzen Sie Sprechstunden, virtuelle Kaffeerunden und Community-Plattformen für unterschiedliche Teilungsbedarfe
Für Wissensarbeiter
- Aktiv das Gespräch suchen: Nutzen Sie direkte Ansprache und Cross-Posting, um aus der eigenen "Bubble" herauszukommen
- Klein anfangen: Beginnen Sie mit der Teilung kleiner Erkenntnisse und Lifehacks
- Lerneffekt durch Lehren nutzen: Erkennen Sie das Erklären als Möglichkeit zur eigenen Weiterentwicklung
- Netzwerk erweitern: Suchen Sie aktiv den Austausch mit Kollegen aus anderen Bereichen
- Mut zur Unperfektion: Teilen Sie auch unvollständiges Wissen und Erfahrungen mit Fehlern
Für Community-Manager
- Gezielte Aktivierung statt generisches Wachstum: Sprechen Sie potenzielle Beitragende direkt an, anstatt auf spontane Beteiligung zu hoffen
- Verschiedene Beteiligungsebenen schaffen: Ermöglichen Sie unterschiedliche Formen der Teilnahme, von passivem Konsum bis zu aktiver Moderation
- Erfolgsgeschichten sichtbar machen: Kommunizieren Sie positive Beispiele von Karriereentwicklung durch Wissensteilung
- Barrieren abbauen: Identifizieren und beseitigen Sie kulturelle, technische und organisatorische Hindernisse für Wissensaustausch
"Das Einzige, was mehr wird, wenn man es teilt, ist Wissen" - diese mathematische Wahrheit sollte zur Grundlage einer neuen Unternehmenskultur werden, in der Sharing is Caring nicht nur ein Slogan, sondern gelebte Realität ist.