Interview
Interview mit Yemisi Ogunleye
Am Vorabend des Forums führten Thomas Jenewein und Seyde Sosnovski ein Interview mit der Olympiasiegering im Kugelstoßen Yemisi Ogunleye.
Das Interview mit Yemisi Ogunleye, der amtierenden Olympiasiegerin im Kugelstoßen, zeigt eindrucksvoll auf, wie Prinzipien und Methoden aus dem Spitzensport erfolgreich auf die Unternehmenswelt übertragen werden können. Die Athletin teilt ihre Erfahrungen zu Veränderungsmanagement, mentaler Stärke, Teamarbeit und kontinuierlichem Lernen und bietet dabei konkrete Handlungsempfehlungen für Führungskräfte und Teams in der Wirtschaft.
Aufbau und Struktur des Interviews
Das Gespräch gliederte sich in mehrere thematische Schwerpunkte:
- Umgang mit Veränderungen: Ogunleye erklärt ihre Herangehensweise an berufliche und persönliche Wendepunkte. Sie betont die Wichtigkeit, Veränderungen als Chancen zu begreifen und positiv anzunehmen.
- Aktivierung von "Superkräften" und mentalem Training: Die Olympiasiegerin teilt ihre Methoden zur mentalen Vorbereitung und Visualisierung. Sie beschreibt konkrete Techniken, um in entscheidenden Momenten Höchstleistungen abzurufen.
- Rolle von Emotionen und Authentizität: Ein zentrales Thema ist die Bedeutung emotionaler Offenheit im professionellen Umfeld. Ogunleye plädiert für mehr Authentizität und das Zulassen von Freude am Arbeitsplatz.
- Lernen und Entwicklung im Spitzensport: Die Athletin erläutert ihre Lernstrategien und betont besonders den Wert des Scheiterns. Sie zeigt auf, wie Rückschläge als wichtige Entwicklungschancen genutzt werden können.
- Teamarbeit und Wertschätzung: Trotz ihrer individuellen Erfolge hebt Ogunleye die Bedeutung ihres Unterstützungsteams hervor. Sie gibt konkrete Tipps zur praktischen Wertschätzung von Teammitgliedern.
- Umgang mit Erfolg und Misserfolg: Die Olympiasiegerin teilt ihre Strategien für den Umgang mit Höhen und Tiefen. Sie erklärt, wie sie sowohl Siege als auch Niederlagen konstruktiv verarbeitet.
Kernaussagen
Veränderungen als Chance begreifen
Ogunleye betont die fundamentale Bedeutung der richtigen Einstellung zu Veränderungen: "Veränderungen sind nicht immer unbedingt was Negatives und ich versuche Veränderungen erstmal mit einer positiven Art und Weise anzunehmen." Ihre eigene Karriere illustriert dies eindrucksvoll – der verletzungsbedingte Wechsel vom Siebenkampf zum Kugelstoßen führte letztendlich zu olympischem Gold.
Die Athletin beschreibt ihre anfänglichen Ängste vor der Spezialisierung: "Von sieben Disziplinen plötzlich nur noch eine Disziplin und dann ausgerechnet Kugelstoßen." Doch sie erkannte, dass "Kugelstoßen an sich auch so viele Facetten hat und eine extrem schöne, aber gleichzeitig auch eine sehr herausfordernde Disziplin ist."
Mentale Stärke als entscheidender Erfolgsfaktor
Der Schlüssel zu Höchstleistungen liegt laut Ogunleye in der mentalen Vorbereitung: "Man kann so fit sein, wie man will und so gut sein im Kraftraum, wie man will. Aber wenn ich an Tag X nicht in der Lage bin, meinen Körper so zu steuern, dass ich an dem Tag Höchstleistungen bringe, bringt mir auch die ganze harte Arbeit nichts."
Ihre Visualisierungstechniken umfassen sowohl positive als auch negative Szenarien: "Ich stelle mir oft vor, wie ich auch auf Versagen reagiere. Es gehört auch dazu, dass im Wettkampf nicht immer alles läuft." Diese mentale Vorbereitung bewährte sich bei den Olympischen Spielen, als sie im ersten Versuch ausrutschte, aber dennoch Gold gewann.
Emotionen als Erfolgskatalysator
Ogunleye plädiert für mehr Authentizität und emotionale Offenheit: "Die Freude, die man hat, auch mit in die Arbeitswelt zu nehmen, auch in die Sportlerwelt mit reinzunehmen." Sie empfiehlt, sich an den ursprünglichen Grund der Begeisterung zu erinnern: "Mir hilft es immer wieder, mich an den Punkt zurückzuerinnern, wo ich mich das erste Mal in diesen Sport verliebt habe."
Lernen durch Scheitern
Ein zentraler Baustein ihrer Entwicklung ist der konstruktive Umgang mit Rückschlägen: "Was wirklich der größte Lerneffekt für mich in den letzten Jahren war, ist das Versagen." Sie betont: "Ich finde, dass auch Herausforderungen oder auch Verletzungen oder wie auch immer man das nennt, Teil von dem Prozess sind, Teil des Lernprozesses, der Entwicklung sind, die man aktiv annehmen sollte."
Teamarbeit und Wertschätzung
Trotz ihrer individuellen Erfolge hebt Ogunleye die Bedeutung ihres Teams hervor: "Ich sage immer nicht, ich bin Olympiasiegerin geworden, sondern das war eine Teamarbeit. Wir haben das gemeinsam auf die Beine gestellt und hinbekommen."
Konkrete Wertschätzung zeigt sie durch: "Ganz praktisch, nach jedem Training mich zu bedanken" und "ein einfaches Dankeschön wird, glaube ich, einfach auch oftmals unterschätzt und wird einfach so sehr gebraucht."
Offene Fragestellungen
Während des Interviews wurden mehrere wichtige Fragen aufgeworfen:
- Nachhaltigkeit von Motivation: Wie können Teams langfristig ihre Begeisterung aufrechterhalten, besonders in schwierigen Phasen?
- Balance zwischen Individualität und Teamleistung: Wie lassen sich persönliche Emotionen und Authentizität in teamorientierten Arbeitsumgebungen optimal einsetzen?
- Übertragbarkeit von Visualisierungstechniken: Welche Anpassungen brauchen mentale Trainingsmethoden für verschiedene Unternehmensbereiche?
- Messbarkeit von "weichen" Faktoren: Wie können Unternehmen den Erfolg von emotionaler Intelligenz und mentaler Stärke quantifizieren?
Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis
Sofortige Umsetzungsmaßnahmen:
- Tägliche Dankbarkeitsrituale einführen: "Ein einfaches Dankeschön" nach Meetings oder Projektabschlüssen etablieren
- Visualisierungstechniken implementieren: 5-10 Minuten täglich für mentale Vorbereitung auf wichtige Termine oder Herausforderungen einplanen
- Positive Selbstgespräche fördern: "Morgen wird ein besserer Tag, die Sonne wird wieder scheinen" als Grundhaltung in schwierigen Situationen
Strategische Entwicklungsansätze:
- Scheitern als Lernchance etablieren: Eine Unternehmenskultur schaffen, die Fehler als wertvollen Teil des Entwicklungsprozesses betrachtet
- Emotionale Authentizität fördern: "Zu sein, wie man einfach ist" und Freude am Arbeitsplatz zulassen
- Teamziele gemeinsam definieren: "Als Team zusammenzuarbeiten, sich gewisse Ziele als Team zu stecken"
- Langfristige Vision entwickeln: Das große Ziel im Blick behalten, auch wenn einzelne Tage nicht optimal verlaufen
Führungsempfehlungen:
- Regelmäßige Wertschätzung ausdrücken: Nicht nur bei großen Erfolgen, sondern auch für tägliche Beiträge danken
- Mentale Gesundheit priorisieren: Zeit und Ressourcen für die psychische Vorbereitung und Regeneration einplanen
- Diversität in Herangehensweisen fördern: Verschiedene Methoden der Zielerreichung respektieren und unterstützen
Die Erkenntnisse aus Ogunleyes Spitzensport-Erfahrung zeigen, dass erfolgreiche Unternehmensführung weit über fachliche Kompetenz hinausgeht. Mentale Stärke, emotionale Intelligenz und authentische Teamarbeit sind entscheidende Faktoren für nachhaltigen Erfolg – sowohl im Sport als auch in der Wirtschaft.