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Wissensarbeit und Lebenslanges Lernen

Lebenslanges Lernen und Wissensarbeit

Wir befinden uns gerade im sehr dynamischen Übergang von Industrie- zur Wissensgesellschaft, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Regeln und Normen durch Lernprozesse kontinuierlich in Frage gestellt werden (s.a. Merkmale der Wissensgesellschaft). Als Einzelpersonen können wir in dieser Gesellschaft durch Lernen erfolgreich sein und zum Wohlergehen aller beitragen.

Lebenslanges Lernen

Unter Lernen versteht man den absichtlichen oder beiläufigen Erwerb von Wissen oder Fähigkeiten. Dieser Lernprozess führt zu relativ stabilen Veränderungen des Verhaltens, Denkens oder Fühlens aufgrund von Erfahrungen oder neuen Erkenntnissen.

Mit dem Delors Report wurde 1996 von der Europäischen Kommission eine Vision des Lebenslangen Lernens ("learning throughout life") veröffentlicht. Der Report benennt die vier Säulen des Lebenslangen Lernens, die in Aus- und Weiterbildung integriert werden sollten:

  • Learning to know - ein breites Allgemeinwissen mit der Möglichkeit, eine kleine Anzahl von Themen vertiefen.
  • Learning to do - nicht nur berufliche Fähigkeiten zu erwerben, sondern auch die Kompetenz, mit vielen Situationen umzugehen und in Teams zu arbeiten.
  • Learning to be - die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und mit wachsender Autonomie, Urteilsvermögen und Eigenverantwortung handeln zu können.
  • Learning to live together - durch die Entwicklung eines Verständnisses für andere Menschen und die Wertschätzung von wechselseitigen Abhängigkeiten.

Es gibt aber auch ganz praktische Gründe, die lebenslanges Lernen für dich notwendig machen. Wie man an der Grafik der Halbwertzeit des Wissens erkennen kann verlieren einige Wissensarten schnell an Aktualität und machen ständiges Lernen erforderlich. Bleiben Bereiche wie das Schulwissen einigermaßen stabil, ist der Bedarf neues zu Lernen besonders im Technik- und IT-Bereich besonders groß.

Halbwertszeit des Wissens (aus Schüppel, J.: Wissensmanagment. Organisatorisches Lernen im Spannungsfeld von Wissens- und Lernbarrieren, eigene Darstellung)

Das bedeutet für die Bürger einer Gesellschaft, dass sie sich auch nach absolvierter Ausbildung durch Schule und Hochschule kontinuierlich weiterbilden sollten, um nicht den Anschluss zu verlieren. Diesen Lernprozess von Geburt bis zum Tod bezeichnet man als lebensbegleitendes oder lebenslanges Lernen. Bis zur ersten Ausbildung kümmern sich in den meisten Fällen Eltern und Staat um das Lernen, danach muss man es für sich selbst organisieren.

Wissensarbeit

Peter Drucker weist in seinem Buch Landmarks of Tomorrow schon Ende der 1950er Jahre auf einen Wandel in der Arbeitswelt in Richtung wissensintensiver Arbeitsaufgaben, kurz Wissensarbeit, hin. Der Wissensarbeiter zeichnet sich dadurch aus, dass er über die Arbeitsaufgabe und das notwendige Wissen besser Bescheid weiß, als die Manager der Organisation und sich deswegen weitgehend selbst organisieren muss. Im Gegensatz zum dem Taylorismus bzw. dem Scientific Management, bei dem zwischen Kopf- und Handarbeit getrennt wird, kommt beim Wissensarbeiter beides zusammen.

Der Organisationssoziologe Hellmut Willke definiert Wissensarbeit als Tätigkeiten (Kommunikationen, Transaktionen, Interaktionen), die dadurch gekennzeichnet sind, dass das erforderliche Wissen nicht einmalig im Leben durch Erfahrung, Initiation, Lehre, Fachausbildung oder Professionalisierung erworben und dann angewendet wird. Vielmehr erfordert Wissensarbeit im hier gemeinten Sinn, dass das relevante Wissen

  1. kontinuierlich revidiert
  2. permanent als verbesserungsfähig angesehen,
  3. prinzipiell nicht als Wahrheit sondern als Ressource betrachtet wird und
  4. untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist, so dass mit Wissensarbeit spezifische Risiken verbunden sind

Die Studie Tätigkeiten und berufliche Anforderungen in wissensintensiven Berufen hat folgende Tätigkeiten als besonders wissensintensiv ermittelt:

  • Forschen
  • Entwickeln
  • Recherchieren
  • Dokumentieren
  • Ausbilden
  • Unterrichten
  • Organisieren fremder Arbeitsabläufe (ja, Manager und Führungskräfte sind auch Wissensarbeiter :-)

Wenn dein Arbeitsalltag zu großen Teilen aus einer oder mehrere dieser Tätigkeiten besteht, kannst du dich zu den Wissensarbeiter_innen zählen und du gehörst zur Kernzielgruppe dieses Leitfadens.

Produktivität von Wissensarbeit

Die Produktivität ist klassisch definiert als das Verhältnis von erzeugten Produkten zu den dafür benötigten Produktionsfaktoren. Peter Drucker fasst im Buch "Management Challenges for the 21st Century" die Produktivität von Wissensarbeitern in sechs Faktoren zusammen:

  1. Die Produktivität der Wissensarbeiter erfordert, dass wir diese Frage stellen: Was ist die Aufgabe?
  2. Wissensarbeit verlangt, dass wir die Verantwortung für die Produktivität auf die einzelnen Wissensarbeiter übertragen. Wissensarbeiter müssen sich selbst managen. Sie müssen Autonomie haben.
  3. Kontinuierliche Innovation muss Teil der Arbeit, der Aufgabe und der Verantwortung von Wissensarbeitern sein.
  4. Wissensarbeit erfordert kontinuierliches Lernen, aber ebenso kontinuierliches Lehren durch den Wissensarbeiter.
  5. Die Produktivität des Wissensarbeiters ist primär keine Frage der Quantität der Ergebnisse. Qualität ist mindestens genauso wichtig.
  6. Abschließend erfordert die Produktivität von Wissensarbeit, dass Wissensarbeiter als "Aktivposten" und nicht als "Kostenfaktor" gesehen und behandelt wird. Sie setzt voraus, dass die Wissensarbeiter für die Organisation arbeiten wollen und nicht eine der vielen anderen Möglichkeiten wählen.

Auf die Bedeutung von Autonomie, kontinuierlichem Lernen (Mastery) und dem selbständigen Herausfinden der relevanten Arbeitsaufgaben (Purpose) für die Arbeit im 21. Jahrhundert weißt auch Dan Pink im viel beachteten TED-Vortrag Über die überraschende Wissenschaft der Motivation hin.

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